Heißer Winter in Texas
würde ihr bald ein neues Auto kaufen. Ich war viel
zu angeekelt, um mich länger mit ihr zu unterhalten,
aber einige der Mädchen haben mit ihr geschwatzt. Ich
werde dir eine holen.« Sie ging zur Tür und rief laut
nach jemandem namens Brandy.
Das Mädchen in Schnute und Negligé kam
hereingestürmt. »Was gibt‹s, Susie?«
»Zuerst will ich, daß du aufhörst, hier nackt
herumzulaufen. Wie oft muß ich dir noch sagen, daß ich
es nicht dulde, daß ihr Mädchen eure Zimmer verlaßt,
ohne euch angezogen zu haben. Das hier ist ein
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erstklassiges Haus, capito? So. Weißt du, wo Colette
hingezogen ist?«
Brandy biß sich auf die Lippe und runzelte die Stirn.
Ich hoffte, daß ihr kein Blutgefäß im Hirn platzte, sie
sah so angestrengt aus.
»War es nicht das Plaza? Ja, ich bin ziemlich sicher,
daß sie da wohnt – drüben, am Montrose Boulevard.«
»In Ordnung. Das war‹s. Nun schwirr ab, zieh dich
an und vergiß nicht, was ich gesagt habe.«
Brandy lächelte müde, und es war klar, daß sie kein
Wort behalten hatte. Sie wackelte mit den Fingern, was
wohl ein verführerisches Winken sein sollte, und zog
mit wippendem Hinterteil ab.
Susie seufzte tief auf. Sie sah müde aus. »Ich hasse es,
sie anzuschreien, aber manchmal scheinen sie nichts
anderes zu verstehen. Ich glaube, ich brauche Ferien. Ich
muß mindestens vier Wochen raus aus diesem Loch,
vielleicht nach Florida. In dieser Stadt kriege ich um
diese Jahreszeit immer den Blues.«
»Jaaa. Ich weiß, was du meinst. Susie, ich glaube, ich
muß weiter. Ich will dich nicht von deiner Arbeit
abhalten. Oh, übrigens, kennst du ein kleines,
rotäugiges Frettchen namens Cotton Peeples?«
»Sicher, den kleinen Versager kennt doch die ganze
Stadt. Warum?«
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»Ich muß ihn sprechen. Du hast nicht zufällig eine
Idee, wo er sich rumtreiben könnte?«
»Nein, aber wenn ich etwas höre, geb‹ ich dir
Bescheid. Was ist denn überhaupt los, Hollis?«
»Ich habe keinen Schimmer. Aber ich arbeite daran,
es herauszufinden.«
Sie sah verwundert aus, ermahnte mich zur Vorsicht
und umarmte mich zum Abschied. Wir gingen
zusammen den Gang hinunter und fanden Gael an der
Bar, wo sie dem Barkeeper das einzig wahre Rezept für
Plantagenpunsch beibrachte. Susie und sie besprachen
die Veränderungen für das Pokerzimmer, feilschten
über Farben und Preise, und dann brachen wir auf.
Während ich den Motor anwarf und losfuhr, teilte ich
Gael kurz die Ergebnisse meiner Nachforschungen mit.
Wir schlugen den Weg zum Montrose Boulevard ein.
Als wir die Main Street kreuzten, fragte ich Gael, ob wir
anhalten und etwas essen sollten.
Sie sah mich aus dem Augenwinkel an. »Klar.
Solange es kein Hot-dog ist.«
Ich bog an der Main Street links ab, um in den Süden
der Stadt zu kommen. Wir kamen am Warwick Hotel
vorbei, und ich spürte ein deutliches Herzflattern, als
ich daran dachte, daß ich gestern mit Lily dort gesessen
hatte. Diese Vorstellung lenkte mich so ab, daß ich
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beinahe eine ganze Familie ausgelöscht hätte, die auf
dem Weg zum Zoo die Straße überquerte.
Gael brüllte mich an, ich solle mich gefälligst aufs
Fahren konzentrieren.
Ye Olde College Inn war ein einstöckiges weißes
Stuckgebäude
mit
dunkelgrünen
geschlossenen
Fensterläden. Ein Schild rechts neben dem Eingang tat
kund, daß Duncan Hines diese Lokalität allen Reisenden
empfahl. Ich brauchte keinen Duncan Hines, um zu
wissen, daß das Essen ausgezeichnet war. Das Café war
am Rand des Rice Institute Campus gelegen, und
Familien, die ihre Töchter oder Söhne besuchten, gingen
hier oft mit ihnen essen. Außerdem war es auch bei den
Ärzten und Rechtsanwälten beliebt, die in
Southhampton und am West University Place lebten.
Ich hegte den leisen Verdacht, daß über den gebratenen
Hühnerbrustfilets des Ye Olde College Inn mehr
Verbrecher verurteilt wurden als im Gerichtsgebäude.
Nach dem Mittagsessen bestand Gael darauf, ans
Steuer zu gehen. Sie sagte, sie wolle nicht unsachlich
werden, aber sie lege Wert darauf, mit heilen Knochen
nach Hause zu kommen. Ich war zu satt für verbale
Duelle, also archivierte ich die Beleidigung
stillschweigend für künftige Gelegenheiten. Ich ließ
mich in den Beifahrerinnensitz sinken, um die Fahrt zu
genießen. Gael sprang mit der Karre um, als würde sie
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damit Tango tanzen. Ihr fehlte nur noch die Rose
zwischen den Zähnen. Als wir am Hermannspark
vorbeiflitzten, bemerkte ich,
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