Heißer Winter in Texas
Schaden, was für
ein Glück, und noch größeres Glück: Es war gar nicht
der Packard. Es war ein kastanienbrauner 34er Ford,
und er sah unangenehm vertraut aus.
Ich ging noch einmal an meinen Wagen, wischte mir
mit einem Kleenex die Stirn und tätschelte Anice. »Du
mußt hier drinnen warten, kleines Mädchen«, sagte ich
und räusperte das Zittern aus meiner Stimme. Dann
ging ich zur Haustür und klingelte. Ich hörte den Gong
im Inneren tönen und dachte, gleich würden meine Knie
unter mir nachgeben.
Der Butler machte auf und verkündete, Mr. Delacroix
habe angeordnet, mich ins Wohnzimmer zu führen.
Wieder folgte ich ihm den Gang hinunter bis zu dem
weißen Raum. Er öffnete die Tür und dienerte mich
hinein. Andrew Delacroix, im bordeauxroten
Seidensmoking mit schwarzer Hose, lehnte lässig am
274
Kaminsims. Darryl Wade saß in seinem verkrumpelten
Anzug auf dem weißen Sofa.
»Hallo zusammen«, begrüßte ich sie ruhig. Meine
Stimme kratzte nicht mal.
»Guten Abend, Miss Carpenter. Sehr freundlich, daß
Sie sich herbemüht haben. Mr. Wade und ich haben Ihre
Ankunft mit Ungeduld erwartet. Amüsant, wie die
Dinge sich nun offenbar zusammenfügen. Meine Frau
wird sich uns gleich anschließen.« Er lächelte höflich.
Das Lächeln kam bei weitem nicht in die Nähe seiner
Augen.
Ich sah Darryl Wade an. Er grinste gepreßt. Ich
grinste zurück. Wir waren ein fröhliches Grüppchen.
Lily kam herein, sah uns einander anfletschen wie
Paviane und lächelte zögernd mit einem leichten
Stirnrunzeln der Verwirrung. Sie trug ein schwarzes
Samtabendkleid und war schöner als je zuvor. Jedesmal,
wenn ich sie sah, erwischte mich ihre Schönheit wie ein
tiefer Schreck.
»Meine Liebe«, sagte Delacroix zu ihr, »ich möchte
dir Sergeant Darryl Wade vom Polizeipräsidium
Houston vorstellen.«
»Guten Abend, Sergeant«, sagte sie höflich.
»Der Sergeant ist hier, um deinen neuen Schatz
wegen Mordes zu verhaften.«
275
Es überraschte mich nicht. Nichts hätte mich jetzt
noch Überrascht.
Einen Sekundenbruchteil lang lachte Lily auf. Ihr
Lachen erstarb, als sie sah, daß niemand scherzte. Sie
schaute mich an, völlig verwirrt.
»Keine Sorge«, sagte ich, lächelte zuversichtlich und
hob protestierend die linke Hand. Meine Nackenhaare
standen hoch wie bei einem Stachelschwein. »Sie
machen Witze.«
»Nein, Ma‹am, wir machen keine Witze«, knarzte
Wade rauh. Er stand auf und zerrte ein Paar
Handschellen aus seiner Gesäßtasche. »Ich muß sie
mitnehmen. Sie hat in dieser Woche zwei Menschen
getötet. Gott sei Dank haben wir sie erwischt, bevor sie
Sie auch umbringen konnte, Ma‹am. Sie ist nicht
zurechnungsfähig. Bei diesen Perversen kann man ja nie
sagen, wann sie durchdrehen. Sie sind krank. Jedenfalls
nehme ich sie mit. Sie wird Sie nie wieder belästigen.«
In Lilys Augen stand Angst. »Was geht hier vor,
Hollis? Wovon redet er?«
»Ruf das Revier an, Lily. Frag nach Frank Brumfield.
Sag ihm, er soll herkommen, so schnell er kann. Sag
ihm, Wade ist hier.« Ich ließ Wade nicht aus den Augen,
während ich sprach. Der Hundesohn war wirklich
verrückt.
276
Lily ging aufs Telefon zu, verwirrt, aber gewillt mir
zu glauben.
»Du rührst den Apparat nicht an.« Andrew
Delacroix‹ Stimme durchschnitt den Raum wie ein
Peitschenknall. »Halt dich da raus, Lily.«
Sie ignorierte ihn und nahm den Hörer des weißen
Telefons ab. Er ging hinüber, riß ihn ihr aus der Hand
und zog mit einem Ruck das Kabel aus der Wand. Na
schön, so viel zu diesem Versuch.
Lily hielt sich die Hand vor den Mund, ihre Augen
waren riesig, als sie vor ihrem Mann zurückwich. »Du
erklärst mir jetzt, was das bedeuten soll, Andrew. Du
glaubst doch nicht im Ernst, daß Hollis jemanden
getötet hat.«
»Doch, das hat sie. Behindere das Gesetz nicht, Lily.«
»Fahr zur Hölle, Andrew!«
Da schlug er sie. Hieb ihr den Handrücken über den
Mund. Meine Hand spannte sich um die 38er in meiner
Tasche, während ich zusah, wie sie einen Schritt
zurücktrat und in den nächsten Stuhl sank, ihr Gesicht
eine Mischung aus Schmerz und Verblüffung. Ich spielte
mit dem Gedanken, ihm den Schwanz abzuschießen,
aber ich mußte fürchten, ihn zu verfehlen und eher eine
Vase oder etwas anderes Wertvolles zu treffen. Ich hatte
erwartet, daß Delacroix ihr zeigte, was für ein
277
Arschloch er in Wirklichkeit war, aber dies war mehr,
als ich bestellt hatte.
Wade lächelte
Weitere Kostenlose Bücher