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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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gegen die Wand der Halle.
    »Und nur zu deiner Erinnerung«, fuhr der Zwerg fort und wog den Hammer in seiner Rechten. »Der, der diese Waffe einmal geführt hat, braucht sie jetzt nicht mehr.«
    »Meister …« Namakan schaute betreten auf seine Stiefelspitzen. »Er sagt genau das Gleiche, was du bei den Holzfällern gesagt hast.« Und was damals richtig gewesen war, kann jetzt nicht falsch sein.
    Ammorna, die in einem entrückten Schlendern ganz bis zum anderen Ende der Halle vorgestoßen war, näherte sich ihnen mit besorgter Miene. »Lasst uns die Ruhe der Toten nicht länger stören«, schlug sie vor, wobei sie fahrig ihre Hände knetete. »Meinst du nicht, Dalarr, dass der frühere Besitzer der Waffe stolz darauf wäre, wenn er wüsste, dass sie noch einmal für das Gute streitet?«
    Dalarr lachte, laut und lange, bis Namakan sich schon Sorgen machte, ob Dalarrs Geist durch Eisarns Frevel vielleicht Schaden genommen hatte. Dann seufzte er und rieb sich grinsend den Bart. »O du alte, dumme Nebelkrähe. Noch einmal für das Gute? Der Kerl, der diesen Hammer geschmiedet hat, war ungefähr so gut zu den Menschen wie ein Schlachter zu den Lämmern.«
    Ammorna zog die Grimasse einer Frau, die in einen zu sauren Rollmops biss.
    »Gut«, sagte Dalarr zu Eisarn. »Behalt das Ding. Gratungir kommt schon nicht aus der Stillen Leere zurück, um es zurückzufordern.« Er warf einen Blick zu den Nischen. »Hast du die Kiste gefunden?«
    »Selbstredend!« Eisarn fädelte seinen Gürtel durch die Schlaufe am Griff des Hammers. »Sie steht da drüben.«
    Die Nische, die er meinte, war zwei Armlängen breit und eine Armlänge hoch. Sie wurde von einer nietenverzierten Truhe aus schwarzem Holz ausgefüllt, deren auffälligstes Merkmal der silberne Beschlag mit einem gut faustgroßen Schlüsselloch auf der Vorderseite war.
    Eisarn strich vorsichtig über den Knauf seines Schlüssels. »Bist du dir ganz sicher, Dalarr?« Es war die erste und einzige Frage, die Namakan je aus dem Mund des Zwergs hören sollte.
    »Ganz sicher«, antwortete Namakans Meister ohne zu zögern.
    Das Öffnen der Truhe war ein Vorgang, den Eisarn ausnahmsweise einmal nicht mit Jammern und Nölen begleitete. Stattdessen verlegte er sich auf Anzüglichkeiten.
    »Ja, ich habe genau das Richtige für dich, mein Schatz«, flüsterte er der Kiste zu, als er den Schlüssel behutsam an das Loch heranführte. »Und schön warme, geschickte Finger.«
    Das erste Drittel des Schlüssels verschwand in der Öffnung. Eisarn drehte die Hand am Knauf. Es klickte leise.
    »Ah«, machte er. Auf seiner gedrungenen Stirn traten dicke Schweißtropfen aus den Poren. »So ist’s recht. Ganz langsam und mit ganz viel Genuss.«
    Er drückte den Schlüssel ein Stück weiter und legte den Kopf schief. »Rechts. Nach rechts, ja.«
    Ein Klicken.
    »Hihi«, kicherte er. »So gefällt’s dir.«
    »Warum ist er so vorsichtig?«, erkundigte sich Namakan bei Dalar.
    »Wenn er einen Fehler begeht, platzt der Knauf des Schlüssels auseinander und reißt ihm die Hand ab.«
    Namakan wurde blass und huschte einen Schritt zur Seite, um sich aus der Flugbahn möglicher Splitter zu bringen.
    »Keine Angst, Junge.« Eisarn grinste. »Ich mache keine Fehler. Schon allein, weil mir meine Rechte lieber ist als meine Linke. Da ist die Faust fester und enger, wenn du verstehst.« Erneut ruckte der Schlüssel nach vorn. »Nicht eifersüchtig sein, meine Kleine. Du bist die schönste Tundi Galuknan, die die Welt je gesehen hat. Kein Wunder. Du bist ja auch von mir.« Er keuchte und rammte den Schlüssel bis zum Knauf in das Schloss. »Jetzt! Jetzt!«
    Namakan nahm schützend den Ellenbogen vors Gesicht.
    Es klackte, und der Deckel der Truhe sprang einen Spalt auf.
    »So.« Eisarn nahm die Hand vom Schlüssel, schloss die Augen und wischte sich den Schweiß ab. »Dir hab ich’s besorgt.«
    Die vier drängten sich vor die Truhe. Dalarr fasste links und rechts an den Deckel und klappte ihn auf.
    Einen Augenblick fürchtete Namakan, in der Truhe hätte eine schillernde Schlange nur darauf gelauert, ihr Gift zu verspritzen. Dann sah er die Ketten der Ewigkeit als das, was sie waren: eine lange Reihe erstaunlich feiner Glieder aus mit schwarzem Skaldat versetztem Stahl. Sie verströmten einen leichten Duft: der Rauch eines abgebrannten Zündholzes, vermischt mit einem Hauch von Moder.
    Eisarn stieß eine wortreiche Verwünschung in der Zwergenzunge aus – deutlich konnte Namakan den Namen des Plagenvaters

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