Heldenwinter
verwinden, dass ihr Mann immerzu davon sprach, wie ihm meine Mutter dabei geholfen hatte, seinen schweren Verlust zu verwinden. Sie hasste meine Mutter.
Also ging Swartjuka letzten Sommer zu den Mördern des Waldes, um ihnen davon zu erzählen, wo die Quelle zu finden war, an der meine Mutter und mein Vater zueinander fanden. Die Mörder des Waldes sind allesamt feige, und sie fürchteten sich, meinem Vater selbst entgegenzutreten. Sie flehten den König um Hilfe an, und er schickte ihnen seinen mächtigsten Getreuen – einen Krieger, dessen Rüstung, Klinge und Haar weißer ist als frischgefallener Schnee, wenn er sich gerade erst auf die Äste und Zweige der Bäume gelegt hat.
Der Krieger lauerte meinen Eltern auf. Er bot ihnen an, meine Mutter zu verschonen, wenn mein Vater sich aus freien Stücken in einen Reif aus rotem Skaldat binden lassen und dem Krieger fortan zu Diensten sein würde. Meine Mutter verlachte ihn, doch ihr Lachen erstarb auf furchtbare Weise, als der Krieger ihr einen Pfeil durch die Kehle schoss. Während sie auf die Knie sank und ihr das Blut aus dem Mund sprudelte, sah sie mit an, wie das Fleisch, in das mein Vater gehüllt war, sich in rasende Flammen verwandelte. Sie glaubte, dass er sie rächen und den Krieger in Weiß zu einem Häuflein Asche verbrennen würde, doch sie hatte die Verschlagenheit ihres Feindes unterschätzt. Er hatte seine Reise in der festen Absicht angetreten, meinen Vater zu binden, und er hatte Vorbereitungen getroffen. Als mein Vater sich brüllend und rauchend auf ihn zuwälzte, griff der Krieger in Weiß nach einer Kette aus weißen und blauen Gliedern an seinem Hals. Er sprengte sie auf, ein Zittern und Beben fuhr durch die Welt, und mein Vater sah sich einem Heer minderer Geister gegenüber – Geistern der Luft und Geistern des Wassers.
Mein Vater wehrte sich tapfer, und viele seiner Gegner zerstoben unter seinem Ansturm in Dampf und Seufzer, doch letztlich war die Übermacht zu groß. Der Krieger in Weiß – der mehr ist als ein einfacher Mensch, denn er verstand sich darauf, die im Skaldat geborgenen Mächte so mühelos zu formen, als wären sie nur Lehm – zwang meinen Vater in den Reif und entführte ihn aus dem Hain.
Meine Mutter sandte ihm stumm den Fluch hinterher, den Hexen gegen all jene aussprechen, die einen unverzeihlichen Frevel begangen haben: Mögest du von der Hand eines Menschen sterben, der dich liebte. Dann hauchte sie ihr Leben aus.
So hat es mir das Feuer berichtet, und seitdem sinne ich auf Rache.
Namakan blickte unsicher auf seine Hände, dann zu Dalarr. Sein Meister drüben auf der anderen Bettstatt war mit dem Kinn auf der Brust eingenickt, als hätte ihn Morritbis Geschichte nicht zu fesseln vermocht, weil er sie schon Hunderte Male gehört hatte.
»Der Krieger in Weiß hat auch meine Mutter umgebracht«, sagte Namakan schließlich leise. Wann bin ich nur so nah an diese Hexe herangerutscht, dass ich die Hitze ihrer Haut durch den Stoff meiner Hose fühlen kann?
»Ich weiß. Das kleine Feuer im Ofen der Holzfäller hat es mir zugeflüstert«, antwortete sie ebenso leise. »Darum will ich euch ja begleiten. Eure Rache ist auch meine Rache.«
»Was ist mit der Frau, die den Holzfällern verraten hat, wo man deinen Vater findet?«, fragte Namakan. Ob ich sie in den Arm nehmen soll? Wenn mir ein anderes Mädchen so etwas Trauriges erzählt hätte, hätte ich das doch schon lange getan. Aber einem anderen Mädchen wären sicher auch die Tränen gekommen, und in ihren Augen ist keine Trauer. Nur Mut und Entschlossenheit. »Hat diese Frau nicht auch deine Rache verdient?«
»Swartjuka?« Ein Lächeln huschte über Morritbis Züge, und einen Augenblick hatten sie große Ähnlichkeit mit denen einer Katze, die eben eine Maus gefangen hatte. »Swartjuka wurde von einem Unglück ereilt. Sie ist in ihrem Haus in ihre Feuerstelle gestürzt. Ihr Mann war darüber sehr traurig, doch ich konnte ihn gut trösten.« Ihre warme, kleine Hand wanderte auf Namakans Knie, und ungeachtet all seiner heimlichen Furcht vor ihr spürte er seine Rute wachsen. »Sehr gut sogar.«
Ein Teil von ihm wollte aufspringen, ein anderer wünschte sich nichts mehr, als dass ihre Hand blieb, wo sie war, und womöglich gar einen streichelnden Weg seinen Schenkel hinauf suchte. Bilder flackerten wild in seinem Kopf: Morritbis blanker Busen, von dem Wasser perlte; ihr nackter Fuß, wie er auf den halb abgerissenen Kiefer des toten Holzfällers traf; ihre beim
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