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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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nicht weiter zu folgen. Niemand von Altiplano konnte dem Gestirnten Berg gegenüber gleichgültig bleiben … und sie brauchte der Flotte ja nicht zu erzählen, wie sie sich dabei fühlte.
    Auf dem Shuttlehafen trugen die einzigen Medienvertreter die grünen und scharlachroten Uniformen der Zentralen
    Nachrichtenagentur Altiplano. Niemand versuchte, Esmay
    anzusprechen; niemand versuchte, sich an sie heranzudrängen.
    Sie wusste, dass ihr Weg vom Shuttle durchs Terminal bis zum wartenden Auto nur ein Ausschnitt in der fertigen Story sein würde, wie ein erfahrener »Analytiker« sie vortrug. Niemand würde versuchen, ein Interview mit ihr zu führen; hier galt das als grob und respektlos.
    Ihr Vater zeigte ihr an der Spitze eines Keils weiterer Offiziere den gleichen förmlichen Gruß, wie Berthol es getan hatte; sie erwiderte die Geste, und er umarmte und küsste sie auf die halbförmliche Art, nicht eines Vaters, sondern eines Befehlshabers gegenüber einem Nachwuchsoffizier, der geehrt werden sollte. Sie wurde seinem Senioradjutanten vorgestellt und ebenfalls dem Nächsten in der Rangfolge; man führte sie durch einen Korridor, in dem ein Block von Milizsoldaten eine vollständige Abschirmung gewährleistete – nach ihren
    Begriffen, was bedeutete: gegen die Blicke von Zivilisten.
    Privatsphäre konnte Esmay in den wenigen Augenblicken auf der Damentoilette genießen. Dort traf sie zwei ermüdende Dienstmägde, die sich bereithielten, ihr frisches Make-up 94
    aufzutragen und etwas gegen ihr widerborstiges Haar zu
    unternehmen. Dieses Bemühen endete mit einem Sprühstoß
    irgendeiner parfümierten Substanz, nach dem Esmay zwei Tage lang die Kopfhaut jucken sollte –was ihr diesmal jedoch nichts ausmachte. Innerhalb weniger Augenblicke hatten sie ihr auch die RSS-Uniformjacke ausgezogen, sie gebügelt und nach
    einem kurzen Blick auf das Hemd darunter darauf bestanden, es durch ein sauberes aus ihrem Gepäck zu ersetzen.
    Frisch gemacht und zu ihrer eigenen Überraschung durch
    diese Fürsorge sogar aufgeheitert, kam Esmay wieder zum
    Vorschein und geriet mitten in einen mit leisen Stimmen
    ausgetragenen Streit zwischen Vater und Onkel.
    »Es ist nur eine einzige Wolke«, sagte ihr Onkel gerade.
    »Und vielleicht regnet es gar nicht…«
    »Es ist nur eine einzige Kugel«, wandte ihr Vater ein, »und sie trifft vielleicht nicht. Ich gehe das Risiko nicht ein. Wenn ihre Haare nass werden … Oh, da bist du ja, Esmaya. Eine Sturmfront nähert sich der Stadt; wir nehmen den Wagen …«
    »Das ist nicht annähernd so eindrucksvoll«, murrte Berthol.
    »Und du erwartest ja schließlich nicht, dass sie wirklich Reitkunst zeigt.«
    Sie war davon ausgegangen, dass sie den Wagen nahmen; sie hatte vergessen, dass alle Zeremonien auf Altiplano auch Pferde mit einschlössen. Sie dankte einer unbekannten Gottheit für das Geschenk eines möglichen Regengusses und den Abscheu ihres Vaters vor dem krausen Durcheinander, das ihre Haare bildeten, wenn sie nass wurden. Wenigstens war niemand von der Flotte dabei, der einen Witz über ein Hinterwaldmilitär reißen konnte, das nach wie vor Pferde benutzte.
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    Natürlich waren trotzdem Pferde an der Parade beteiligt, auch wenn Esmay in einem Auto saß. Aus dessen Schutz heraus
    verfolgte sie mit, wie die perfekt gedrillte Kavallerie vor und hinter dem Wagen in Position schwenkte, wobei sich die Pferde im Gleichschritt bewegten und sich ihre glänzenden
    Hinterbacken spannten und entspannten. Die Reiter saßen
    aufrecht, hielten die Hände ruhig und die Gesichter in einem neutralen Ausdruck, der nicht einmal schwankte, wenn ein Pferd auf die Hinterbeine stieg… nicht, dass bei einem dieser gut geschulten Tiere damit zu rechnen war. Hinter den Pferden drängte sich eine Menschenmenge auf den Bürgersteigen,
    Gesichter spähten aus den Fenstern der höheren Häuser. Manche schwenkten die goldenen und roten Farben von Altiplano.
    Esmay war seit etwas über zehn Standardjahren nicht mehr zu Hause gewesen. Sie war fortgegangen als linkischer Teenager, der ihr rückblickend wie das Modell pubertierender Unfähigkeit erschien. Nichts hatte gepasst, weder Körper noch Verstand noch Gefühle. Davon, nicht ganz nach Hause zu gehören, bis dahin, nicht ganz auf die Vorbereitungsschule der Flotte zu gehören, war es ein winziger, natürlicher Übergang gewesen.
    Als sie dann ihren Abschluss auf der Akademie machte, hatte sie erwartet, wieder nicht dazuzugehören, die Außenseiterin zu sein,

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