Heldin wider Willen
Reparatur eines Stalldachs nach einem Sturm zählt«, antwortete sie.
Pitak funkelte sie einen Moment lang an und wurde dann
ruhiger. »Nein … das tut es nicht. Jemand muss auf uns beide sauer sein, Lieutenant. Das Sektorkommando hat mir drei
meiner besten R&A-Spezialisten gestohlen, meinen Assistenten von diesem Schiff wegbefördert und mich knapp an … Und
jetzt schickt man mir Sie, auf welchem Gebiet Sie auch immer Erfahrung gesammelt haben.«
»Meistens Scanner«, sagte Esmay.
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»Falls ich religiös wäre, würde ich die bemitleidenswerten Schwänze dieser Leute irgendeinem belastenden Nachleben
überantworten«, stellte Major Pitak fest. Einer ihrer
Mundwinkel zuckte. »Zur Hölle damit! Ich kann nie lange
genug wütend bleiben, um sie richtig durchzubraten, und sie wissen das. In Ordnung, Lieutenant, sehen wir mal, über welche Kenntnisse Sie verfügen. Welche auch immer das sind, sie werden nicht reichen, aber wenigstens haben Sie bislang noch nichts Dummes angestellt.«
»Ich hatte kaum genug Zeit dazu«, sagte Esmay. Wider alle Erwartungen entwickelte sie allmählich eine Zuneigung zu dem Major.
»Das ist eine naive Äußerung«, sagte Pitak. Sie war an ihren Schreibtisch getreten, wo sie an einer Schublade zerrte, ohne damit etwas zu bewirken. »Man hat mir schon Idioten geschickt, die schon etwas vermurkst haben, ehe ich ihnen überhaupt begegnete.« Ein erneuter Ruck, diesmal heftig genug, dass der ganze Tisch verrutschte. »Zum Beispiel diese Schublade … sie hat nie mehr richtig funktioniert, seit Ihr Vorgänger es für eine clevere Idee hielt, das Schloss neu einzustellen. Wir wissen immer noch nicht genau, was er eigentlich verändert hat, aber keiner der Befehlsstäbe funktioniert daran, auch sonst nichts, außer brutaler Gewalt und Lästerungen.« Ohne den Gesichtsausdruck zu verändern, startete Pitak einen mörderischen Strom des letztgenannten Faktors gegen die Schublade, die schließlich mit einem Kreischen nachgab.
Esmay hätte am liebsten gefragt, warum irgendjemand eine so nervtötende Schublade benutzte – warum sie nicht einfach ausräumen und leer stehen lassen? –, aber jetzt war nicht der 219
richtige Zeitpunkt. Sie verfolgte mit, wie Pitak den Inhalt durchstöberte und ein paar Datenwürfel zum Vorschein brachte.
»Wahrscheinlich fragen Sie sich, warum ich überhaupt etwas hier hineintue«, sagte Pitak. »Offen gesagt stelle ich mir die gleiche Frage, aber wir haben hier unten recht wenig sichere Aufbewahrungsmöglichkeiten – nicht bei all den Spezialisten an Bord, die jeden Trick mit jeder Sicherheitsvorkehrung kennen, seit der Riegel erfunden wurde. Man hat mir einiges Material über Sie geschickt, aber ich habe es mir noch nicht angesehen, was Sie mir hoffentlich nicht zum Vorwurf machen werden.«
»Nein, Sir.«
»Meine Güte, Lieutenant, entspannen Sie sich! Setzen Sie sich irgendwohin. Mal sehen …« Sie steckte den Würfel in ein Lesegerät, während sich Esmay nach etwas umsah, worauf sie sich setzen konnte. Jede horizontale Fläche war dicht mit Krempel bepackt; auf den beiden Stühlen türmten sich
Ausdrucke, die nach Inventarlisten aussahen. Pitak blickte auf.
»Packen Sie einfach irgendwas davon auf den Boden. Danton sollte hier gestern eigentlich aufräumen, aber er liegt mit irgendeinem Bazillus auf der Krankenstation, den er sich eingefangen hat… Ich denke, wir würden besser damit fahren, wenn wir den Leuten erlaubten, ihre scheußlichen Chemikalien an Bord zu brauen; auf Landurlaub werden sie immer krank.«
Esmay packte einen Stoß Papiere vorsichtig auf den Boden und setzte sich. Pitak betrachtete finster das Display des Würfellesers.
»Naja. Für eine Meuterin und Heldin verhalten Sie sich
reichlich still, Lieutenant Suiza. Versuchen Sie, Ihre Spuren zu verwischen?«
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Esmay fiel dazu nichts ein.
»Hmm. Der starke, stille Typ. Nicht mein Fall, wie Sie schon bemerkt haben werden. Planetare Milizfamilie … Ihr Götter, eine von diesen Suizas!« Esmay hatte diese Reaktion noch bei niemandem in der Flotte erlebt. Pitak starrte sie an. » Wissen die das?«
»Ich weiß nicht recht, was Sie meinen, Sir.«
Ein Ausdruck des Abscheus, den Esmay verdient zu haben
glaubte. »Spielen Sie Ihre Spielchen nicht mit mir, Lieutenant Suiza! Ich meine, weiß man bei der Flotte, dass ›planetare Miliz‹ eine Untertreibung ist, wenn man von der Familie Suiza auf Altiplano spricht?«
»Ich war davon ausgegangen, man wüsste es«,
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