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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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kenne?« Er schmatzte mit den Lippen.
    Die Frau erschauderte, ließ den Kopf hängen und schluchzte leise.
    Melisande schluckte angewidert. Sie hatte kein Mitleid mit der Mörderin. Sie verdiente jede nur denkbare Härte. Aber Sempachs Vergnügen an der blutigen Prozedur der peinlichen Befragung widerte sie an. Sie löschte den Satz von der Tafel und notierte die Reihenfolge der Folter: »Erstens: Mit heißen Zangen zwicken. Zweitens: Daumenschrauben. Drittens: Rattenhelm.«
    »Rattenhelm? Das klingt interessant.« Sempach rieb sich die Hände wie vor einem üppigen Gelage.
    Melisande malte einen Helm, der den Kopf ganz umschloss. In dem Helm tummelten sich hungrige Ratten.
    Sempach verzog das Gesicht zu einem teuflischen Grinsen. »Dir möchte ich nicht unter die Finger kommen, Melchior. Gut. Geh genauso vor. Sobald sie redet, brich ab.«
    Wieder neigte Melisande gehorsam den Kopf, aber sie hätte Sempach den Rattenhelm gerne ebenfalls einmal aufgesetzt. Nur um zu sehen, was der Ratsherr so aushielt. Wenn es um die Verteidigung der Stadt ging, war er jedenfalls kein großer Held. Da kaufte er sich regelmäßig frei, und das mit Summen, die weit über das Geforderte hinausgingen.
    Sie legte die Zange erneut ins Feuer, riss der Beschuldigten einen Ärmel auf und strich mit den Fingern über den entblößten Arm. Dann wendete sie sich Sempach zu und machte das Zeichen für: »Wie heißt sie?«
    »Agnes«, sagte er tonlos.
    Melisande nahm die Zange aus der Glut, setzte an, nahm eine Hautfalte zwischen die glühenden Backen und drückte zu. Agnes’ Körper verkrampfte sich, aber ihr Mund blieb geschlossen. Sie schrie nicht, atmete nur heftig.
    Melisande setzte ab, der Geruch verbrannten Fleisches zog durch den Keller. Warum schrie die Frau nicht? Das hatte sie noch nie erlebt. Ein kurzer Schrei entrang sich jeder Kehle, denn der Schmerz, auch wenn er schnell abebbte, war unerträglich.
    Melisande schaute in Agnes’ Gesicht. Die Angst war verschwunden, ihr schien alles gleichgültig zu sein. Das war nicht gut. Denn genau das war der erste Schritt in den Tod. Sie hatte die Pforte zur Hölle bereits aufgestoßen.
    Melisande legte die Zange zurück und bat Sempach mit einem Zeichen um eine Pause, da sie befürchtete, die Frau könne vor der Zeit sterben.
    Sempach hatte genug Erfahrung, um dem zuzustimmen. »Du bleibst hier. Der Schreiber und ich kommen in einer Stunde wieder.«
    Melisande wartete, bis die beiden das finstere Gewölbe verlassen hatten und Stille eingekehrt war. Dann füllte sie einen Becher mit Wasser und hielt ihn Agnes an den Mund. Diese presste jedoch die Lippen fest aufeinander. Melisande seufzte leise, holte den Kieferspanner, setzte an, und schon öffnete sich Agnes’ Mund. Als Melisande nun Wasser hineingoss, blieb Agnes nichts anderes übrig, als zu schlucken. Der Widerstand schürte jedoch offenbar ihre Wut, ihre Augen funkelten erbost.
    Melisande richtete sich zufrieden auf. Die Wut hielt Agnes am Leben. Wer wütend war, konnte nicht sterben. Nachdenklich betrachtete sie den Becher. Ob sie selbst sterben würde, wenn de Bruce endlich gerichtet war? Wenn die Wut erloschen war, die die Flamme ihres Lebens all die Jahre am Brennen gehalten hatte?
    Agnes hustete und röchelte. »Du armseliger Mistkerl«, schrie sie und spuckte Melisande ins Gesicht.
    Ohne die Frau zu beachten, rieb Melisande sich den Speichel ab. Sie spürte, dass Agnes kurz davor stand, sich Schmerz und Wut von der Seele zu schreien.
    Wieder spuckte Agnes, aber diesmal nicht weit genug, um sie zu treffen. »Ihr Männerpack seid alle gleich!«, stieß sie hervor. »Wollt euer Vergnügen, und dann werft ihr uns weg wie einen faulen Apfel. Und feige seid ihr auch noch.« Sie stockte, fiel in sich zusammen und fing an zu weinen.
    Hoffentlich hält sich ihre mitteilsame Stimmung, bis Sempach wieder da ist, dachte Melisande. Auch wenn die Frau ein grausiges Verbrechen begangen hatte, war sie nicht erpicht darauf, sie mehr als nötig zu quälen. Schon weil sie Sempachs widernatürliche Freude daran abstieß.
    »Ich werde niemals gestehen. Niemals. Nur dir werde ich es erzählen, weil Gott ein einziges Mal Gerechtigkeit hat walten lassen und dir deine Stimme genommen hat. Und weil dein Wort ohnehin nichts gilt. Du bist noch armseliger als der Verräter, der mich im Stich gelassen hat. ›Mach’s doch tot‹, hat er gerufen, als ich ihn angefleht habe, ›mach’s tot und belästige mich nicht damit, du dumme Metze.‹ Das hat er gesagt,

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