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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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meine eigenen Eltern meine Kinder besitzergreifend vor sich her und in die Gaststätte »Zum letzten Geleit« schoben und meine Mutter murmelte: »Hier kriegen sie wenigstens eine warme Mahlzeit«, konnte ich die Tränen nicht länger zurückhalten. Wie der Tod für Lenchen wohl war? Hoffentlich war sie an einem Ort, an dem einen niemand mehr verurteilte.
    »Jetzt heult sie Krokodilstränen.«
    »Nun will sie unser Mitleid.«
    »Die Reue kommt aber zu spät.«
    Ich konnte diesem Leichenschmaus einfach nicht beiwohnen. Fluchtartig sprang ich in meinen Wagen und fuhr wie in Trance zu Sophie. Wir fielen uns in die Arme, und ich musste schon wieder weinen. Sophie drückte mir ein Glas Wein in die Hand, machte Feuer im Kamin und ließ sich erzählen, wie man mich öffentlich gesteinigt hatte. Schließlich legte Sophie mir die Hand auf die Schulter. »Wie willst du unter diesen Umständen hier weiterleben?«
    »Ich weiß es nicht, Sophie. Ich weiß es wirklich nicht! Aber ich muss. Es gibt keinen Ausweg. Ich muss meine Pflicht tun.«
    »Sagt deine Mutter!«, bemerkte Sophie wissend. »Weil sie es auch so gemacht hat.«
    Ich nickte verzweifelt. Ich war den alten Frauen in Heilewelt, die soeben beim Begräbnis gewesen waren, wirklich schon erschreckend ähnlich geworden: Ich ging gebückt und mit gesenktem Blick, schämte mich meiner Gefühle, Träume und Hoffnungen. So als stünde so etwas einer Frau und Mutter gar nicht zu.
    Sophie streichelte meinen Arm. »Das Leben liegt noch vor dir. Und es kann durchaus eines ohne Jürgen sein.«
    Für Jürgen hatte sich ein Traum erfüllt, als wir zusammengekommen waren: Sparkasse, Reihenhaus, drei Kinder. Ein Traum, den ich selbst gern weitergeträumt hätte. Aber wenn ich ehrlich war, war ich aufgewacht. Spätestens nach dem Albtraum, in dem wir alle brannten.
    Alle, bis auf Jürgen.
    »Ich weiß es nicht, Sophie! Ich sollte ihn lieben, ich sollte es wenigstens versuchen …«
    »Er hat sich verhalten wie ein Elefant im Porzellanladen«, sagte Sophie kopfschüttelnd. »Benjamin Blümchen ist ja wenigstens noch süß, aber …«
    »Aber daran bin ausschließlich ich schuld!«, leierte ich das katholische Bekenntnis meiner Kindheit herunter. Wenn man Schuld zugab, ließen die Anfeindungen irgendwann nach. Dann durfte man bereuen, gute Vorsätze formulieren und diese absegnen lassen.
    Sophie war allerdings evangelisch und ließ sich auf diese Gleichung nicht ein. »Wieso bist jetzt ausschließlich du schuld an eurem Zerwürfnis?«
    »Jürgen hat alles versucht, um die Beziehung zu retten!« Fröstelnd rieb ich mir die Arme. »Er sagt, er hat das alles aus Liebe getan!«
    »Was er für Liebe hält, ist Besitzdenken.« Sophie stieß einen spöttischen Zischlaut aus, der dem von meiner Mutter Konkurrenz machte. »Er will nur das Gesicht nicht verlieren. Vor den Leuten!« Sie strich sich die Haare hinter die Ohren. Das tat sie immer, wenn sie ihre Worte unterstreichen wollte.
    »Ach, Sophie! Für die Leute ist es allein meine Schuld!« Ich sah meine einzige Freundin verzweifelt an. »Nach außen hin sieht es so aus, als hätte ich Jürgen betrogen und meine Familie leichtfertig aufs Spiel gesetzt.«
    »Dabei WAR doch gar nichts, nur ein harmloser Kuss! Wenn hier jemand versucht hat, die Beziehung zu retten, dann du! Und die LEUTE sollten dir schnurzpiepegal sein!« Sie strich mir mitfühlend über die Wange.
    »Sind sie aber nicht, Sophie! Ich brauche sie! Wenn sie ihre Kinder nicht mehr zu mir in die Musikschule schicken, kann ich stempeln gehen!«
    »Wenn die Leute ihr Fähnchen dermaßen nach dem Wind hängen, sind sie deiner nicht wert!« Ihre Stimme bebte vor Empörung. »Vor zwei Wochen haben sie dich noch bejubelt, und jetzt hören sie Gerüchte vom Bäckermeister Gerngroß und schneiden dich, als hättest du die Pest!«
    »Aber ich bin abhängig von diesen Leuten!«
    »Du weißt, dass dem nicht so ist.« Sophie legte die Hände auf ihr Herz. »Wie es hier drin aussieht, nur das zählt! Nicht die LEUTE!«
    »Ich kann nicht einfach aus meiner Beziehung ausbrechen, aus Heilewelt fliehen. Jürgen und ich haben drei Kinder! Wir stehen gemeinsam auf Werbeplakaten!«
    »Ja, ihr habt drei Kinder.« Sophie sah mich eindringlich an. »Ich habe mit Bodo zwei Kinder. Und soll ich dir mal was sagen? Bodo ist schon lange bei einer anderen Frau. Kein Mensch hat ihm deshalb die Karriere versaut. Das würde auch niemand wagen. Weil er ein Mann ist.«
    »Was?« Ich zuckte zusammen und starrte sie

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