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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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Requisite.
    »Und jetzt ganz traurig gucken, und zwar so ins Leere. Ein bisschen mehr den Kopf nach rechts …« Der Fotograf sprang auf, und der Mann, der die Scheinwerfer bediente, schob noch einen Graufilter vor seine grelle Lampe. »Das muss alles noch viel düsterer wirken!«
    »Die andere junge Dame jetzt bitte mal an die Brücke lehnen! Ja, aber nicht in dieser schicken Jacke! Warte mal …« Der Fotograf winkte die Kostümbildnerin herbei. »Habt ihr nicht was ganz Abgerissenes?«
    »Jetzt nicht so übertreiben!«, rief Ralf Steiner, der rauchend an seinem schnittigen Wagen lehnte. »Muss ja noch glaubhaft rüberkommen!«
    »Den furchtbaren Fetzen zieh ich nicht an!« Grazia wühlte in einer Kiste, die ihr eine Dame von der Requisite hinhielt. »Mama, du hast gesagt, es ist ein Modeljob, aber doch nicht so einer!«
    »Wo wird das denn veröffentlicht?«, fragte einer der Penner neugierig. »Wenn ich mich als Model hergebe, will ich aber auch Geld dafür sehen!«
    »Auf Plakatwänden. Jeder kriegt fünfzig Euro«, sagte Ralf Steiner und warf seinen Zigarettenstummel in den Schnee. »Aber jetzt Klappe halten und weitermachen!«
    Die Penner freuten sich über den ungewohnten Nebenverdienst und umringten uns.
    Grazia hatte sich inzwischen für ein dünnes, fadenscheiniges Mäntelchen entschieden. »Geiles Teil. Voll retro irgendwie. Darf ich das anschließend behalten?«
    »Wenn du weiterhin schön mitarbeitest«, sagte der Fotograf und nickte zufrieden. »Was machen wir jetzt mit der Hauptperson?«
    Die Hauptperson war ich. Es war mein erster Modeljob seit siebzehn Jahren. Ich wollte ihn so professionell wie möglich machen.
    Nachdem die beiden Mädchen auf dem Koffer beziehungsweise an der Brücke lehnend postiert waren, kam die Maskenbildnerin mit ihren Puderquasten und dem Farbmalkasten zu mir: »Dunkle Ringe um die Augen, ganz blass, tiefe Falten kriegen wir auch noch hin.« Sie schaute mich prüfend an. »Ja, und dann bitte ganz traurig gucken.« Alle Umstehenden waren begeistert.
    »Das ist die verlassene Ehefrau mit ihren Kindern an der Donaubrücke, inmitten von Pennern«, bemerkte Ralf Steiner zufrieden. »Im Elend, im Dreck, ganz unten. Das kriegen die Heilewelter Bürger auf ihre Litfaßsäulen. Direkt neben die Vorzeigefamilie von Musikschule und Sparkasse.« Er rieb sich die Hände. Ob vor Kälte oder Selbstzufriedenheit, war schwer zu sagen. Diese Aktion würde der Rothaarigen das Genick brechen. Die Kobaliks waren ganz begeistert gewesen von seiner Idee und bezahlten den Spaß. Sie saßen mit Thermoskannen voll heißem Kaffee und Tee in dem Wohnmobil, das sie für dieses Fotoshooting extra gemietet hatten. Dort durfte ich mich auch umziehen und schminken lassen. Früher elegante Gattin, jetzt obdachlos – das ging ganz schnell! Die Leute glauben nun mal gern an Märchen, an Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Sollten sie doch ihre Aschenputtel-Geschichte bekommen!
    Der Fotograf begann, mich in Szene zu setzen: »Und jetzt stülpen Sie mal das Innenfutter der Taschen nach außen. Ja, so. Nix drin, kein Geld. Ihr seid alle drei völlig abgebrannt. Du, Kleine, noch viel trauriger gucken. Jetzt der fragende Blick: ›Was soll aus uns werden?‹«
    »Wichtig ist, dass ihr herausarbeitet: Wir leben im Elend, während die Familie der feisten Vorzeigemutter vom Geld der Sparkasse ein sorgloses Dasein genießt.« Steiner zündete sich eine neue Zigarette an.
    »Danach will keener mehr was mit denen zu tun haben«, sagte Wolfgang Kobalik zufrieden. »Denen legen wir det Hand werk. Die können ihre Musikschule und ihre Sparkasse dichtmachen.«
    »Hätten ja bezahlen können!«, hörte ich Ursula Kobalik im Hintergrund quaken. Sie machte sich im Wohnmobil zu schaffen. »Wir haben ihnen ja eine faire Chance gegeben!«
    Ja!, dachte ich. Wer meinen Prinzen küsst statt den eigenen Frosch zu Hause, bekommt jetzt die Quittung dafür. Sie hatte es nicht anders verdient! Ein aufregendes Prickeln machte sich in mir breit: Endlich wehrte ich mich, ging in die Offensive. Viel zu lange war ich die Duldende, Passive gewesen. Das Modeln war meine Waffe, und ich setzte sie gezielt gegen sie ein!
    Wir schauten wie drei Tage Regenwetter, und die Kinder bewiesen ein großartiges schauspielerisches Talent. Diese Fotos würden nicht nur auf den Heilewelter Plakatwänden kleben: Ralf Steiner hatte schon einen Deal mit dem Lokaljournalisten Schaumschläger gemacht. Er bekam die Story exklusiv, mit einem großen Interview. Wir

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