Herbst - Beginn
bewusst, den Umstand zu verbergen, dass es ihn ängstigte, sich im Freien aufzuhalten. Schließlich wusste er nicht, wer – oder was – sie beobachten mochte. »Für heute Nacht reicht es allemal.«
Michael erklomm langsam die Stufen zur Eingangstür. Er betrat die Veranda. Die beiden anderen beobachteten ihn und konnten es kaum erwarten zu erfahren, ob jemand zu Hause war, fühlten sich jedoch zu sehr verunsichert, um sich zu nähern. Michael hingegen war zu müde, um Zeit zu verschwenden. Er hämmerte mit der Faust an die Tür.
»Hallo!«, rief er. »Hallo, ist hier jemand?«
Carl empfand die Lautstärke seiner Stimme als beunruhigend. Angespannt sah er sich um.
Als nach einigen Sekunden noch keine Antwort auf sein Rufen und Klopfen erfolgt war, versuchte Michael, die Tür zu öffnen. Sie erwies sich als unverriegelt. Er betrat das Haus. Emma und Carl sahen einander kurz an, bevor sie ihm folgten. Bis sie die Diele erreichten, hatte Michael bereits sämtliche Zimmer im unteren Geschoss überprüft und arbeitete sich bereits durch den ersten Stock vor. Schließlich tauchte er wieder am Kopf der Treppe auf.
»Und?«, fragte Emma.
»Sieht alles in Ordnung aus«, erwiderte er etwas atemlos, als er zurück ins Erdgeschoss kam.
»Jemand hier?«
Er nickte und deutete auf ein Zimmer zu ihrer Rechten. Emma spähte durch die Tür in ein großes, gemütliches Wohnzimmer. Ein einsamer Leichnam – ein übergewichtiger, weißhaariger Mann in Bademantel, Hose und Pantoffeln – lag schmerzlich gekrümmt auf dem Boden vor einem offenen Zierkamin. Ob Michaels Andeutung, dass es sich um die einzige Leiche handelte, fühlte Carl sich etwas sicherer. Er betrat das Wohnzimmer und ging zu dem Leichnam hinüber. Neben der leblosen Hand des Mannes lag ein ungeöffneter Brief auf dem Boden.
»Das muss Mr. Jones sein«, murmelte er und las die Anschrift auf der Vorderseite des Briefs. »Mr. Arthur Jones, Penn Farm. Hübsch hatten sie es hier, Mr. Jones.«
»Keine Anzeichen von Mrs. Jones?«, fragte Emma.
»Ich konnte sonst niemanden finden«, gab Michael kopfschüttelnd zurück. »Und er sieht mir zu alt aus, als dass es kleine Jones-Kinder hätte geben können.«
Emma fiel auf, dass Carl sich neben den Leichnam gekniet hatte. Er starrte in dessen Gesicht.
»Was ist denn?«, fragte sie. Keine Reaktion. »Carl, was ist denn?«
Er schüttelte den Kopf, schaute zu ihr auf und lächelte.
»Tut mir Leid, ich war in Gedanken woanders.«
Rasch wandte Carl den Blick ab und hoffte, dass den beiden anderen das plötzliche Gefühl der Furcht und des Unbehagens entging, das er verspürte. Herrgott , dachte er. In den letzten paar Tagen hatte er buchstäblich tausende Leichen gesehen, warum also beunruhigte gerade diese ihn so sehr? Lag es daran, dass dies der erste Leichnam war, den er aus nächster Nähe eingehend betrachtete, oder daran, dass es der erste Leichnam mit einer Identität war? Er kannte den Namen des Mannes, wusste, womit er sich den Lebensunterhalt verdient hatte, und war in sein Haus eingedrungen. Es fühlte sich nicht richtig an. Zwar glaubte er nicht an Geister oder Ähnliches, dennoch war er in jenem Augenblick überzeugt, Mr. Jones würde irgendwie Rache an den drei Störenfrieden nehmen.
Michael setzte sich auf einen gemütlichen Sessel und schirmte die Augen gegen das schräg in den Raum einfallende Licht der frühabendlichen Sonne ab.
»Haltet ihr das Haus für geeignet?«, fragte er. »Meint ihr, wir sollten hier bleiben?«
»Platz ist hier reichlich«, gab Emma ihre Meinung bekannt, »und draußen ist ein Bach mit frischem Wasser.«
»Und der Ort ist nicht einfach zu erreichen«, fügte Carl hinzu, der sich zwingen musste, sich der Unterhaltung anzuschließen und Mr. Jones zu ignorieren. »Wir hatten jedenfalls genug Probleme damit herzufinden.«
»Und es ist ein Bauernhof«, ergänzte Michael. »Hier muss es noch mehr als nur dieses Haus geben.«
»Was zum Beispiel?«, wollte Emma wissen. Michael zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung«, grinste er. »Lasst es uns herausfinden, ja?«
Damit sprang er auf und verließ den Raum. Carl und Emma folgten ihm den Flur entlang. Zur Linken befanden sich der Eingang zur Küche und die Holztreppe, zur Rechten mehrere Räume. Michael spähte in ein weiteres Wohnzimmer und ein kleines Büro, betrat jedoch beide nicht. Stattdessen ging er weiter zum hinteren Teil des Hauses. Vor der Hintertür blieb er stehen und blickte über die Schulter zu seinen beiden
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