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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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endlos durch die Schatten zu schlurfen, während ihre Körper allmählich verwesten, ihre geistige Stärke und Kontrolle jedoch langsam und stetig zurückzukehren schien. Obwohl sich die Überlebenden leise verhielten und größtenteils außer Sichtweite blieben, wurden durch die Abwesenheit anderer Geräusche und Ablenkungen in der Umgebung ständig weitere unerwünschte Horden zerlumpter, stolpernder Gestalten von der Universität angezogen. Die verängstigten und verzweifelten Menschen saßen im Inneren ihres Zufluchtsortes, beobachteten und warteten darauf, dass etwas – irgendetwas – geschah. Zwei schmerzhaft lange und schleichend verstreichende Wochen tat sich nichts.
    Ohne jegliche Vorwarnung wurde das labile Gleichgewicht gestört.
    An einem kalten, grauen und feuchten Sonntagmorgen, etwa neunzehn Tage, nachdem alles begonnen hatte, passierte etwas.
    Dreißig Meilen westlich der Stadt, in der sich die Überlebenden verbargen, lag, getarnt in einem öden und unauffälligen Feld, der Eingang zu einem Bunker des Militärs. Im Inneren des düsteren, grauen Gebäudes befanden sich ungefähr dreihundert Soldaten, die vor der toten Außenwelt durch dicke Betonmauern und die leistungsfähigsten industriellen Luftreinigungssysteme abgeschirmt und beschützt wurden. Da sie ebenso müde, verängstigt und orientierungslos waren wie die verwirrten Überlebenden, die sich überirdisch im Freien befanden, hatten sie gleichermaßen damit gekämpft, mit der Ungewissheit jeder verstreichenden Stunde zurechtzukommen. Niemand, der sich innerhalb des Bunkers befand, wusste, was geschehen war. Keiner, vom ranghöchsten Oberoffizier bis hin zu den niedrigsten Rängen, konnte mit mehr als ein paar Fetzen unbestätigter Information aufwarten. Sie hatten, als sie am ersten Morgen eilig abkommandiert worden waren, aufgrund hastig erteilter Befehle gehandelt. Unter ihnen machten viele Gerüchte über Seuchen, Massenvernichtungswaffen, bakteriologische Kriegsführung und Ansteckungsgefahr die Runde, doch es gab keine greifbaren Fakten, durch die das Hörensagen erhärtet oder gar bestätigt werden konnte. Es war allerdings nicht nötig, dass die Frauen und Männer im Bunker die Einzelheiten der Geschehnisse kannten und was das betraf, ebenso wenig die Offiziere, die die Verantwortung für den Stützpunkt trugen. Alles, was sie wussten – alles, was sie wissen mussten – bestand darin, dass sie früher oder später an die Oberfläche geschickt werden würden, um zu versuchen, die Kontrolle über das, was auch immer übrig geblieben war, zu übernehmen.
    Der Kommandant des Stützpunktes hatte endlich den Befehl erteilt.
    Heute war der Tag, an dem die ersten Truppen an die Oberfläche gelangen würden.

21
    Neunzehn Tage lang waren wir unter der Erde.
    Über vierhundertfünfzig Stunden, ohne dass wir Tageslicht sahen oder man uns erklärte, was geschehen war oder warum wir hier waren.
    Es gab im Bunker praktisch von dem Augenblick an, in dem wir angekommen waren, fast nichts zu tun. Nachdem unsere Ausrüstung ausgepackt, verstaut und überprüft war, hatten sich unsere Hauptaufgaben bis auf gelegentliche, banale Haushaltspflichten erledigt. Da niemand den Stützpunkt verließ, gab es nichts startklar zu machen oder zu reparieren. Wir aßen, machten sauber, exerzierten und schliefen, viel mehr war nicht möglich. Immer wieder malte ich mir den Moment aus, in dem der Befehl endlich kommen würde, und gelegentlich freute ich mich genau genommen sogar darauf.
    In vielerlei Hinsicht schien es besser zu sein, als einfach dazusitzen und zu warten. Über das, was an der Oberfläche geschehen sein mochte, redete keiner viel. Ich war mir auch nicht sicher, ob es überhaupt irgendjemand wusste. Ein kleiner Teil in mir wollte es auch nicht wissen, denn in der Ahnungslosigkeit lag eine gewisse groteske Sicherheit. Ich versuchte zwar, nicht an meine Familie und Freunde zu denken, die da oben zurückgeblieben waren, aber da es sonst nichts zu tun gab, war es schwer, nicht an sie zu denken. Die Unwissenheit brachte mich dazu, meine Prioritäten zu hinterfragen.
    Ich war den Truppen beigetreten, um Menschen zu beschützen und jetzt saßen wir hier, sicher unter der Erde untergebracht, während der Rest der Bevölkerung – und jeder, der mir jemals irgendwas bedeutet hatte – ertragen musste, was auch immer mit der Welt geschah. Ob gute oder schlechte (und in unseren Herzen wussten wir, dass das, was da im Gange war, Millionen Mal schlimmer war als

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