Herbstfeuer
dem flackernden Licht auf der Terrasse gedämpft funkelte. „Ich muss euch noch erzählen, was heute geschehen ist.“ Sie fuhr fort mit der Beschreibung des Baseballspiels hinter den Stallungen und Westcliffs unerwartetem Auftauchen. Annabelle und Evie hörten ungläubig zu, beide mit großen Augen bei der Enthüllung, dass der Earl tatsächlich an dem Spiel teilgenommen hatte.
„Es ist nicht überraschend, dass der Earl Baseball mag“, bemerkte Annabelle. „Er ist ein echter Anhänger von Freiluftaktivitäten. Aber die Tatsache, dass er mit dir gespielt hat …“
Plötzlich lächelte Lillian. „Offensichtlich war sein Missfallen nicht so groß wie sein Bedürfnis, alles aufzuzählen, was ich falsch mache. Er fing damit an, mir zu erklären, wie ich besser aushole, und dann …“ Ihr Lächeln verschwand, und zu ihrem Unbehagen fühlte sie, wie sie errötete.
„Dann legte er seinen Arm um dich“, sagte Daisy in das entstandene Schweigen hinein.
„Er hat was getan?“, fragte Annabelle, und vor Überraschung blieb ihr der Mund offen stehen.
„Nur um mir zu zeigen, wie ich den Schläger richtig halte.“ Lillian zog ihre dunklen Brauen zusammen, bis sie sich über der Nasenwurzel beinahe berührten. „Wie auch immer, was beim Spiel geschah, ist nicht wichtig – die Überraschung kam nach dem Spiel. Westcliff geleitete Daisy und mich auf dem kürzesten Weg zurück zum Haus, aber wir wurden getrennt, als Vater und ein paar seiner Freunde den Weg entlangkamen. Daisy lief voraus, während dem Earl und mir nichts anderes übrig blieb, als uns hinter der Hecke zu verstecken. Und während wir da zusammen standen …“
Die anderen drei Mauerblümchen beugten sich vor, und alle drei Augenpaare waren auf Lillian gerichtet.
„Was ist passiert?“, fragte Annabelle.
Lillian fühlte, wie ihre Ohrläppchen rot wurden, und es fiel ihr überraschend schwer, die Worte herauszubringen.
Den Blick fest auf die kleine Parfümflasche gerichtet, flüsterte sie: „Er küsste mich.“
„Gütiger Himmel!“, rief Annabelle aus, während Evie sie sprachlos anstarrte.
„Ich wusste es!“, rief Daisy. „Ich wusste es!“
„Wie konntest du wissen …“, begann Lillian zu widersprechen, aber Annabelle unterbrach sie.
„Einmal? Mehrmals?“
Als sie an die vielen Küsse zurückdachte, errötete Lillian noch mehr. „Mehr als einmal“, gab sie zu.
„W-wie war es?“, fragte Evie.
Aus irgendeinem Grund war Lillian nicht darauf gekommen, dass ihre Freundinnen etwas über Lord Westcliffs erotisches Können wissen wollten. Verstimmt wegen der Röte, die sich jetzt bestimmt über ihren gesamten Hals und ihr Gesicht ausgebreitet hatte, versuchte sie, an etwas Beruhigenderes zu denken. Doch für einen Augenblick war die Erinnerung an Westcliff sehr lebendig. Sein fester Körper – seine Lebhaftigkeit – seine suchenden Lippen …
Sie fühlte sich, als sei ihr Inneres aus geschmolzenem Metall, und plötzlich brachte sie es nicht fertig, die Wahrheit einzugestehen.
„Schrecklich“, behauptete sie und stemmte unter dem Tisch die Füße in den Boden. „Westcliffs Küsse sind die schlechtesten, die ich je erleben musste.“
„Ohhh …“, machten Daisy und Evie enttäuscht.
Annabelle hingegen warf Lillian einen zweifelnden Blick zu. „Das ist seltsam. Denn mir sind einige Gerüchte zu Ohren gekommen, nach denen Westcliff es versteht, mit Frauen umzugehen.“
Lillian erwiderte nichts.
„Tatsächlich“, fuhr Annabelle fort, „war ich vor noch nicht einmal einer Woche auf einem Fest, bei dem eine der Frauen an meinem Tisch sagte, Westcliff sei ein so guter Liebhaber, dass er sie für jeden anderen Mann verdorben habe.“
„Wer hat das gesagt?“, wollte Lillian wissen.
„Das kann ich dir nicht verraten“, erwiderte Annabelle. „Es ist ein Geheimnis.“
„Das glaube ich nicht“, erwiderte Lillian verstimmt. „Nicht einmal in den Kreisen, in denen du dich jetzt bewegst, kann man so kühn sein, über derlei Dinge in aller Öffentlichkeit zu sprechen.“
„Ich bitte doch, da zu unterscheiden.“ Annabelle warf ihr einen überlegenen Blick zu. „Verheiratete Frauen hören weit besseren Klatsch als unverheiratete.“
„Verflixt“, meinte Daisy voller Neid.
Wieder breitete sich Schweigen am Tisch aus, während Annabelle Lillians glühendem Blick begegnete. „Heraus damit“, befahl sie, und in ihrer Stimme schwang ein Lachen mit. „Sag die Wahrheit – sind Westcliffs Küsse tatsächlich so
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