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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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die schönste Frau in seiner Bekanntschaft, und auch nicht die kenntnisreichste. Stattdessen war sie scharfzüngig und eigensinnig, und ihr Selbstbewusstsein passte viel eher zu einem Mann als zu einer Frau.
    Marcus wusste, dass sowohl er selbst als auch Lillian viel zu dickköpfig waren und daher ständig aneinandergeraten würden. Der Streit bei dem Hindernisparcours war ein gutes Beispiel dafür, warum eine Verbindung zwischen ihnen unmöglich sein würde. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Marcus Lillian Bowman mehr begehrte als je eine andere Frau zuvor. Ihre Frische, ihre unkonventionelle Art, das alles sprach ihn an, sosehr er sich auch gegen die Versuchung wehrte, die sie bot. Er hatte angefangen, nachts von ihr zu träumen, sie zu necken und zu liebkosen, in sie einzudringen, bis sie seufzte vor Vergnügen. Und dann gab es andere Träume, in denen er still bei ihr lag, mit ihr vereint in pulsierender Lust – mit ihr im Fluss schwamm, sodass ihr nackter Leib an ihm entlangglitt, ihr nasses Haar wie das einer Meerjungfrau auf seiner Brust und seinen Schultern lag. Oder wie er sie auf dem Feld nahm, als wäre sie ein Bauernmädchen, und mit ihr auf dem sonnenwarmen Gras herumrollte.
    Nie zuvor hatte Marcus ein unterdrücktes Verlangen verspürt, wie er es jetzt tat. Es gab viele Frauen, die nur zu gern bereit wären, seine Begierden zu befriedigen. Dazu wäre nicht mehr nötig als nur ein paar leise geflüsterte Worte und ein diskretes Klopfen an der Schlafzimmertür, und warme Frauenarme würden ihn willkommen heißen.
    Doch es schien ihm nicht richtig, eine Frau als Ersatz für eine andere zu nehmen, die er nicht haben konnte.
    Als er sich dem privaten Salon der Familie näherte, blieb Marcus vor der halb offenen Tür stehen und hörte zu, wie seine Mutter die Bowman-Schwestern belehrte. Dabei schienen sich ihre Klagen auf die Tatsache zu beziehen, dass die Schwestern mit dem Lakaien zu sprechen pflegten, der beim Dinner servierte.
    „Aber warum sollte ich jemandem nicht danken, der mir einen Dienst erweist?“, hörte er Lillian in ehrlicher Verwirrung fragen. „Es ist doch höflich, sich zu bedanken, oder?“
    „Einem Dienstboten sollten Sie ebenso wenig danken wie einem Pferd, weil es Ihnen erlaubte, es zu reiten, oder einem Tisch, weil er das Gedeck trägt.“
    „Aber wir sprechen nicht über Tiere oder seelenlose Objekte, oder? Ein Lakai ist ein Mensch.“
    „Nein“, erwiderte die Countess kühl. „Ein Lakai ist ein Dienstbote.“
    „Und ein Dienstbote ist ein Mensch“, beharrte Lillian eigensinnig.
    Verärgert erwiderte die ältere Frau: „Was immer Sie in einem Lakaien sehen mögen, Sie dürfen ihm beim Dinner nicht danken. Weder erwarten Dienstboten dergleichen, noch wünschen sie es, und wenn Sie darauf bestehen, sie in die Verlegenheit zu bringen, Ihnen auf Ihre Bemerkungen antworten zu müssen, so werden sie schlecht über Sie denken – genau wie alle anderen. Beleidigen Sie mich nicht mit diesen Blicken, Miss Bowman! Sie stammen aus einer reichen Familie – gewiss beschäftigen Sie in Ihrer New Yorker Residenz ebenfalls Dienstboten.“
    „Ja“, stimmte Lillian zu. „Aber wir reden mit ihnen.“
    Marcus bemühte sich, ein Lachen zu unterdrücken. Bisher war es selten vorgekommen, falls überhaupt jemals, dass jemand es wagte, mit der Countess zu streiten. Nachdem er leise geklopft hatte, betrat er den Salon, um den vielleicht verhängnisvollen Wortwechsel zu unterbrechen. Lillian drehte sich in ihrem Stuhl herum und sah ihn an.
    Der makellose elfenbeinfarbene Ton ihrer Haut wurde gestört von zwei rosigen Flecken auf ihren Wangen. Durch die kunstvolle Hochsteckfrisur hätte sie älter wirken müssen, doch stattdessen schien ihre Jugend nur noch betonter. Obwohl sie reglos auf dem Stuhl saß, schien sie von einer Aura der Ungeduld umgeben zu sein. Sie erinnerte ihn an ein Schulmädchen, das sich danach sehnte, dem Unterricht zu entfliehen und nach draußen zu laufen.
    „Guten Tag“, sagte Marcus höflich. „Ich nehme an, das Gespräch verläuft angenehm?“
    Lillian warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
    Während er ein Lächeln unterdrückte, verbeugte sich Marcus förmlich vor seiner Mutter. „Mylady, ein Brief aus Amerika ist eingetroffen.“
    Erschrocken sah seine Mutter ihn an. Sie sagte nichts, obwohl sie wusste, dass der Brief von Aline sein musste.
    Eigensinniges Biest, dachte Marcus, und Ärger stieg in ihm auf. Niemals würde die Countess ihrer älteren

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