Hercule Poirot schläft nie
ein wenig verlegen.
»Also, ich schreie«, soufflierte Poirot. Er öffnete den Mund und stieß ein schrilles Blöken aus. Lord Mayfield wandte schnell den Kopf ab, um ein Lächeln zu verbe r gen, und Mr Carlile machte ein über die Maßen betret e nes Gesicht.
»Allez! Vorwärts marsch!«, rief Poirot. »Das war Ihr Stichwort.«
Mr Carlile schritt steif zur Tür, öffnete sie und ging hi n aus. Poirot folgte ihm. Die anderen beiden kamen hinte r her.
»Die Tür – haben Sie sie hinter sich geschlossen oder offen gelassen?«
»Ich kann mich nicht genau erinnern. Ich glaube, ich muss sie offen gelassen haben.«
»Es spielt keine Rolle. Machen Sie weiter.«
Steifbeinig wie vorher spazierte Mr Carlile bis zum Fuß der Treppe, wo er stehen blieb und nach oben blickte.
»Die Zofe stand auf der Treppe, wie Sie sagen. Wo u n gefähr?«
»Etwa auf halber Höhe!«
»Und sie war aufgeregt?«
»Allerdings.«
»Eh bien, ich bin jetzt die Zofe.« Poirot trippelte g e wandt die Stufen hinauf. »Hier etwa?«
»Ein oder zwei Stufen höher.«
»So?« Poirot stellte sich in Positur.
»Äh – nicht ganz so.«
»Wie dann?«
»Nun ja, sie hielt die Hände an den Kopf.«
»Ah, die Hände an den Kopf. Das ist sehr interessant. Vielleicht so?« Poirot hob die Arme und legte die Hände über den Ohren an den Kopf.
»Ja, ganz genauso.«
»Aha! Sagen Sie mal, Mr Carlile, ist sie ein hübsches Mädchen, ja?«
»Wirklich, darauf habe ich nicht geachtet.«
»So, Sie haben nicht darauf geachtet. Aber Sie sind ein junger Mann. Seit wann achtet ein junger Mann nicht darauf, ob ein Mädchen hübsch ist?«
»Wirklich, Monsieur Poirot, ich kann nur wiederholen, dass ich dies nicht getan habe.«
Carlile sandte seinem Arbeitgeber einen flehenden Blick zu. Sir George kicherte.
»Monsieur Poirot scheint entschlossen zu sein, Sie als Casanova hinzustellen«, bemerkte er.
Mr Carlile musterte ihn, ohne die Miene zu verziehen.
»Ich für meine Person merke immer, ob ein Mädchen hübsch ist«, verkündete Poirot, während er die Treppe herunterkam.
Mr Carlile quittierte die Äußerung mit anzüglichem Schweigen.
»Und dann hat sie Ihnen das Märchen von dem G e spenst erzählt, das sie gesehen haben will?«, fuhr Poirot ungerührt fort.
»Ja.«
»Haben Sie die Geschichte geglaubt?«
»Wohl kaum, Monsieur Poirot.«
»Ich frage damit nicht, ob Sie persönlich an Gespenster glauben. Ich frage Sie bloß, hatten Sie den Eindruck, dass das Mädchen selbst glaubte, etwas gesehen zu haben?«
»Oh, das kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall atm e te sie rasch und schien erregt.«
»Und Mrs Vanderlyn ließ sich während dieser ganzen Episode nicht hören oder sehen?«
»Doch. Sie kam aus ihrem Zimmer oben an der Galerie und rief: ›Leonie.‹«
»Und dann?«
»Das Mädchen eilte zu ihr hinauf, und ich begab mich wieder ins Arbeitszimmer.«
»Während Sie am Fuß der Treppe standen, hätte da i r gendjemand das Arbeitszimmer durch die Tür, die Sie offen gelassen hatten, betreten können?«
Carlile schüttelte den Kopf.
»Nicht ohne an mir vorbeizugehen. Die Tür zum A r beitszimmer liegt, wie Sie sehen, am Ende des Korr i dors.«
Poirot nickte nachdenklich, und Mr Carlile fuhr mit se i ner gemessenen korrekten Stimme fort:
»Wenn ich so sagen darf, bin ich überaus dankbar, dass Lord Mayfield persönlich den Dieb durch die Terrasse n tür entwischen sah. Andernfalls befände ich mich in einer sehr unangenehmen Situation.«
»Unsinn, mein lieber Carlile«, platzte Lord Mayfield heraus. »Auf Sie würde unter gar keinen Umständen ein Verdacht fallen.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Lord Mayfield, aber an Tatsachen lässt sich nun einmal nicht rütteln, und ich begreife durchaus, dass es für mich schlecht aussieht. Ich kann nur hoffen, dass meine Sachen und meine Person einer Durchsuchung unterzogen werden.«
»Unsinn, mein lieber Junge«, brummte Mayfield.
»Wünschen Sie das im Ernst?«, erkundigte sich Poirot ruhig.
»Ich würde es außerordentlich begrüßen.«
Poirot betrachtete ihn eine Weile gedankenvoll und murmelte schließlich: »Ich verstehe.« Dann fragte er: »Wo liegt Mrs Vanderlyns Zimmer, vom Arbeitszimmer aus betrachtet?«
»Direkt darüber.«
»Besitzt es ein Fenster auf die Terrasse hinaus?«
»Ja.«
Wieder nickte Poirot.
»Begeben wir uns in den Salon«, schlug er dann vor.
Hier wanderte er gemächlich herum, inspizierte die Te r rassentürverriegelung, betrachtete flüchtig die
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