Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
das wir tun sollen?«
»Der einzige Weg ist«, erklärte Whitecomb, »die Anlage unter Kontrolle zu bringen.«
Uljakow hob die Brauen. »Ich fürchte, eher wird diese Maschinerie uns unter Kontrolle bringen.«
»Es ist der einzige Weg«, beharrte der amerikanische Konteradmiral.
Uljakow starrte eine Weile finster zu Boden, dann hob er den Kopf und erklärte: »Nein. Bei der Geschwindigkeit, mit der diese Ausläufer wachsen, haben sie das Festland erreicht, ehe hier auch nur irgendwelche provisorischen Forschungseinrichtungen stehen. Das, was Sie sagen, bestärkt mich eher in meinem Entschluss. Wir müssen zuschlagen – bloß noch schneller und noch härter, als ich es bis jetzt für nötig gehalten hätte.«
»Admiral …«
»Zu Sowjetzeiten haben wir die stärkste jemals gebaute Wasserstoffbombe gezündet. Zweihundert Megatonnen. Das war auf Nowaja Semlja, keine fünfhundert Meilen von hier entfernt.« Seine Schultern strafften sich. »Wir besitzen noch einige dieser Bomben. Die Zeit ist gekommen, sie einzusetzen.«
Dies war der Moment, in dem sich Charlotte in Bewegung setzte. Sie tat es nicht aus einer Überlegung oder einem Entschluss heraus, es war vielmehr, als ergreife ihr Körper von sich aus die Initiative, sie aus der Gruppe der anderen herauszulösen und ihre Schritte auf die beiden Admiräle zu lenken.
Niemand hielt sie auf. Sie war eine schöne Frau inmitten von Männern, die die Gesellschaft von Frauen kaum gewohnt waren. Sie war unberührbar.
»Iswinietje poschalsta« , sagte sie zu dem russischen Admiral und zu dem amerikanischen: »Excuse me . Es gibt da jemanden, den Sie unbedingt fragen sollten. Jemand, der schon einmal so eine ähnliche Maschine gebaut hat.«
Sie hörten ihr zu. Weil sie eine schöne Frau war und unberührbar.
Mitunter hatte Hiroshi das Gefühl, seine Mutter wollte gar nicht, dass er sie besuchen kam. Als würde sie das nur in ihrem gewohnten Dasein stören.
»Du brauchst dir keine Umstände zu machen«, wiederholte er also, zog noch ein Hemd aus dem Schrank und legte es in die Reisetasche, sicherheitshalber. »Du musst auch keinen Urlaub nehmen. Ich werde mich schon nicht langweilen, allein in Tokio, meine Güte!«
Mrs Steel war bereits am Morgen abgereist. Sie würde Urlaub bei ihrer Schwester in Sacramento machen und erst einen Tag vor ihm zurückkehren. Wer sich in der Zwischenzeit um die Pflanzen kümmern werde? Das war bisher immer ihre Sorge gewesen. Hiroshi hatte diesmal endlich eine nach seinen Vorgaben konstruierte Bewässerungsanlage installieren lassen: WinzigeWasserschläuche führten, dezent in den Boden eingegraben, zu jedem einzelnen Wurzelballen. Kombiniert mit Feuchtesensoren und das Ganze von einem Computer kontrolliert, würden die Pflanzen damit besser versorgt sein, als ein menschlicher Gärtner es hätte tun können.
»Aber mit den Pflanzen sprechen kann sie nicht, Ihre Maschine!«, hatte Mrs Steel bemängelt. Das hatte er zugeben müssen, nicht ohne hinzuzufügen, dass seiner Überzeugung nach Pflanzen die korrekte Versorgung mit Wasser und Nährstoffen einem Gespräch vorzögen, zu dem sie ohnehin nichts beitragen konnten.
»Denk dran, dir was gegen Regen einzupacken«, mahnte Mutters Stimme aus dem Hörer. »Die Regenzeit hat längst begonnen.«
Hiroshi verdrehte die Augen. »Weiß ich!«
»Und ich kann dich nicht am Flughafen abholen. Im Büro stapelt sich die Arbeit.«
Weil Inamoto zu geizig war, eine zusätzliche Kraft einzustellen. Schon klar. »Du musst diesen Job nicht machen, das weißt du?«
»Irgendwas muss ich schließlich tun.« Ihre übliche Antwort darauf. Sie erwog es inzwischen nicht einmal mehr, sich nach etwas anderem umzuschauen. Offensichtlich liebte sie es, sich mit Inamoto zu streiten.
»Mach dir keine Sorgen wegen des Flughafens. Ich komm schon klar.« Er sah auf die Uhr. »Ich muss allmählich los, wenn ich nicht in den Stau kommen will. Also, bis morgen.«
»Ja. Bis morgen.« Es klang wie: Also gut, dann komm halt.
Er traf die üblichen Reisevorbereitungen. Sicherte seine Daten, ging noch einmal durch alle Räume, kontrollierte, ob die Fenster alle zu waren, die Lichter aus, solche Dinge. Ein letzter Blick in die Reisetasche, die wie immer nur halb voll war, dann zurrte er den Verschluss zu, warf sie sich über die Schulter und verließ das Haus.
In den letzten Jahren war es ihm zur lieben Gewohnheit geworden,den Tag vor der Abreise nach Tokio in Mountainview bei Rodney und Allison zu verbringen. Wie immer
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