Herr der Daemmerung
herrschen wird.«
Ein neuerliches Frösteln überlief Jez. Hunter Redfern. Ihr Ahnherr, der Hunderte von Jahren alt war, aber aussah wie dreißig. Er war böse, und er war praktisch der Anführer des Rats.
»Na toll«, murmelte sie. »Also wird meine Familie die Welt zerstören.«
Hugh schenkte ihr ein trostloses Lächeln. »Hunter sagt, die Alten Kräfte erwachen, um die Vampire zu stärken, damit sie die Herrschaft übernehmen können. Und das Beängstigende ist, er hat recht. Wie ich bereits sagte, die Nachtleute werden stärker und entwickeln mehr Kräfte. Niemand weiß, warum. Aber die meisten Vampire im Rat scheinen Hunter zu glauben.«
»Also haben wir nicht viel Zeit«, erwiderte Jez. »Wir müssen die Wilde Macht finden, bevor Morgead einen Handel mit der Nachtwelt eingeht.«
»Richtig. Der Zirkel der Morgendämmerung bereitet einen sicheren Ort vor, an dem die Wilden Mächte bleiben können, bis wir alle vier beisammen haben. Und der Rat weiß, dass wir es tun - das ist wahrscheinlich der Grund, warum der Ghoul mir gefolgt ist. Sie beobachten uns. Es tut mir leid, dass ich ihn hierher geführt habe«, fügte er geistesabwesend hinzu und schaute sich besorgt im Raum um.
»Spielt keine Rolle. Er erzählt niemandem mehr etwas.«
»Nein. Was wir dir zu verdanken haben. Aber wir werden uns beim nächsten Mal woanders treffen. Ich kann deine Familie nicht in Gefahr bringen.« Er sah sie wieder an. »Jez, wenn es der Nachtwelt gelingt, auch nur eine der Wilden Mächte zu töten - nun, wenn du an die Prophezeiung glaubst, wird dann alles vorüber sein.«
Jetzt verstand Jez. Sie hatte zwar immer noch Fragen, aber die konnten warten. Eines war ihr vollkommen klar.
»Ich werde es tun. Ich muss es tun.«
Hugh fragte sehr leise: »Bist du dir sicher?«
»Nun, irgendjemand muss es tun. Und du hattest recht; ich bin die Einzige, die mit Morgead fertig werden kann.«
In Wahrheit dachte sie, dass niemand mit Morgead fertig werden konnte - aber immerhin standen ihre Chancen besser als die jedes anderen Mitglieds des Zirkels der Morgendämmerung. Natürlich würde sie den Auftrag nicht überleben. Selbst wenn es ihr gelang, Morgead die Wilde Macht vor der Nase wegzuschnappen, würde er sie jagen und dafür töten.
Aber das spielte keine Rolle.
»Er hasst mich, und ich hasse ihn, aber zumindest kenne ich ihn«, sagte sie laut.
Stille folgte, und sie begriff, dass Hugh sie seltsam ansah. »Du denkst, er hasst dich?«
»Natürlich. Wir haben die ganze Zeit nur gestritten.«
Hugh lächelte kaum merklich - der Gesichtsausdruck einer Alten Seele. »Ich verstehe.«
»Was soll das schon wieder heißen?«
»Es heißt - ich denke nicht, dass er dich hasst, Jez. Vielleicht hat er starke Gefühle für dich, aber nach allem, was ich gehört habe, glaube ich nicht, dass Hass eins davon ist.«
Jez schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht. Er hatte es immer auf mich abgesehen. Und wenn er herausfände, dass ich halb menschlich bin - nun, das wäre das Ende. Er hasst Menschen mehr als alles andere. Aber ich denke, ich kann ihn solange zum Narren halten, bis wir die Wilde Macht gefunden haben.«
Hugh nickte, aber er wirkte nicht glücklich. Ein gequälter, müder Ausdruck trat in seine Augen. »Wenn du das schaffen kannst, wirst du viele Leben retten.«
Er weiß es ebenfalls, dachte Jez. Dass ich dabei sterben werde.
Es war ein gewisser Trost, dass es ihm nicht gleichgültig war - und ein noch größerer Trost, dass er nicht verstand, warum sie es tun würde. Sicher, sie wollte retten. Aber da war noch etwas anderes.
Der Rat hatte versucht, Hugh zu erwischen. Sie hatten ihm einen Ghoul auf den Hals gehetzt. Wahrscheinlich schickten sie ihm morgen bereits etwas anderes - auf jeden Fall würden sie weiter versuchen, ihn zu töten.
Und dafür würde Jez mit ihnen den Boden aufwischen. Hugh war kein Kämpfer. Er konnte sich nicht verteidigen. Er durfte nicht länger die Zielscheibe sein.
Ihr wurde bewusst, dass Hugh sie immer noch voller Schmerz in den Augen ansah. Sie lächelte, um ihm zu zeigen, dass sie keine Angst vor dem Tod hatte.
»Es ist eine Familienangelegenheit«, erklärte sie ihm - und auch das entsprach der Wahrheit. »Hunter ist mein Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater. Es ist nur recht und billig, wenn ich ihn aufhalte. Und falls mir etwas zustößt - nun, eine Redfern weniger ist wahrscheinlich ein Segen für die Welt.«
Und das war der letzte Teil der Wahrheit. Sie kam aus einer besudelten Familie. Was sie auch
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