Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
Vom Netzwerk:
Hereingelegt von einer Bande Kinder! Mit den Zähnen knirschte er jedes Mal, wenn er daran dachte. Aufs Revier hatten die Carabinieri ihn geschleppt wie einen gemeinen Verbrecher, wie einen Kinderschänder hatten sie ihn behandelt, ihn herumgeschubst, beschimpft, und als er ihnen wutschnaubend seinen Detektivausweis vor die Nase halten wollte, musste er feststellen, dass die kleinen Ratten ihm auch noch sein Portemonnaie geklaut hatten. Schluss. Schluss mit dem Mitgefühl, das er für sie gehabt hatte. Schluss damit.
Während Victor seine Beulen mit Eis kühlte und seine erkältete Schildkröte mit Rotlicht wärmte, grübelte er über nichts anderes nach als darüber, wie er die Bande wieder finden konnte. Jedes Wort, das Bo von sich gegeben hatte, rief Victor sich ins Gedächtnis, bis ein Wort in seinem Kopf anschlug wie eine Kirchenglocke. Kino.
Wir wohnen in einem Kino.
Was, wenn das doch stimmte? Was, wenn das nicht nur die Spinnerei eines kleinen Jungen war?
Der Polizei hatte Victor nichts erzählt von Bos seltsamem Hinweis, obwohl die nun ebenfalls nach den Kindern suchte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Victors Portemonnaie weg und er wirklich der Detektiv war, für den er sich ausgegeben hatte. Aber Victor wollte nicht, dass die Polizei die kleinen Räuber fing. O nein, die werde ich mir selber schnappen, dachte er, während er auf dem Teppich hockte und seinen Schildkröten die faltigen Köpfe kraulte. Die werden schon sehen, dass ich nicht so vertrottelt bin, wie sie denken!
Verdammt! Die eine Schildkröte nieste wirklich ganz abscheulich. Wenn er sich nicht täuschte, war es Paula. Der Tierarzt behauptete, dass sie Lando nicht anstecken würde. Also saßen die beiden immer noch im selben Pappkarton, natürlich nicht mehr draußen auf Victors Balkon, wo die Nächte immer kälter wurden, sondern unter dem Schreibtisch in seinem Büro. Ist auch besser, dass ich sie nicht trennen muss, dachte Victor, sonst würden sie womöglich noch beide an Einsamkeit eingehen. Ein Kino…
Was hatte Bo erzählt? Dass die Stühle fehlten und kein Projektor mehr da war… Es musste also ein Kino sein, das nicht mehr in Betrieb war. Natürlich. Ein Kino, das geschlossen war und das der Besitzer leer stehen ließ, weil er noch nicht wusste, was er damit anfangen sollte. Es gab nicht viele Kinos in Venedig. Victor schlug im Telefonbuch nach, auch in dem vom letzten Jahr, und rief jedes Kino an, das er finden konnte, selbst die, die weiter außerhalb lagen, am Lido oder in Burano. Meistens wurde er gefragt, ob er Karten reservieren wollte, aber bei einem, dem FANTASIA, ging niemand ans Telefon, und bei einem weiteren stand keine Adresse hinter dem Namen. STELLA hieß es, und die Nummer stand nur in dem Telefonbuch vom letzten Jahr.
STELLA und FANTASIA, na bitte, zwei Kandidaten haben wir schon mal!, dachte Victor und wärmte sich den Risotto vom Vortag auf. Dann brachte er die verschnupfte Schildkröte noch mal zum Tierarzt und machte auf dem Rückweg einen Abstecher zum FANTASIA, wo niemand ans Telefon gegangen war. Als Victor vor dem Kino ankam, öffnete es gerade für die Nachmittagsvorstellung. Es herrschte nicht gerade großer Andrang, nur zwei Kinder kauften sich eine Karte und ein Liebespaar, das gleich in dem dunklen Vorführraum verschwand. Victor trat an die Kasse und räusperte sich.
»Vorn oder lieber weiter hinten?«, fragte die Kartenverkäuferin und schob sich einen Kaugummi zwischen die Zähne. »Wo wollen Sie sitzen?«
»Nirgendwo«, antwortete Victor. »Aber ich wüsste gern, ob Sie schon mal was von einem Kino gehört haben, das STELLA heißt.« Die Kartenverkäuferin formte mit den rot geschminkten Lippen eine Kaugummiblase und ließ sie zerplatzen. »STELLA? Das ist geschlossen. Seit ein paar Monaten schon.« Victors Herz tat einen Sprung, einen kleinen, aufgeregten Sprung. »Ja, das hatte ich gehofft«, sagte er und beantwortete den verblüfften Blick der Kartenverkäuferin mit einem zufriedenen Lächeln. »Wissen Sie zufällig die Adresse…« Er stellte den Karton mit seiner kranken Schildkröte neben die Kasse. Die Kartenverkäuferin ließ noch eine Kaugummiblase zerplatzen und musterte neugierig den Karton. »Was haben Sie denn dadrin?«
»Eine erkältete Schildkröte«, antwortete Victor. »Aber es geht ihr schon besser. Also, wissen Sie die Adresse?«
»Kann ich sie mal sehen?«, fragte die Verkäuferin. Mit einem Seufzer zog Victor das Handtuch zur Seite, das er zum Schutz gegen den kalten Wind

Weitere Kostenlose Bücher