Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
Vom Netzwerk:
beherrscht, berechenbar, vernünftig, kein bisschen so wie er. »Ich hab es doch schon gesagt«, antwortete Scipio. »Ich hab mir den Schnee angeguckt. Außerdem bin ich einer Katze nachgelaufen. Meiner geht es zum Glück besser, sie frisst wieder.«
»Na bitte, gut, dass ich den Tierarzt nicht gerufen habe.« Dottor Massimo runzelte die Stirn. »Dass du mitten in der Nacht draußen herumstreunst, wird natürlich Folgen haben.« Seine Stimme klang ganz ruhig. Laut wurde er nie, auch wenn er sich noch so sehr ärgerte. »Das Mädchen wird in den nächsten Nächten deine Tür abschließen. Zumindest, solange dieser alberne Schnee dich noch kindischer macht als üblich. Verstanden?« Scipio antwortete nicht.
»Herrgott, wie ich dieses verstockte Gesicht hasse. Wenn du wüsstest, wie dumm du aussehen kannst.« Mit einem Ruck drehte Scipios Vater sich um. »Ich muss mir etwas mit diesem Kino einfallen lassen«, sagte er im Weggehen. »Verwahrloste Kinder, unglaublich, womöglich kleine Diebe. Die Polizei nimmt das an. Warum hat mir dieser Journalist nichts davon erzählt, der, der vor kurzem hier war, wie hieß er noch gleich? Getz oder so ähnlich.«
»Wieso verwahrlost?« Scipio schluckte. »Das Mädchen sah doch nett aus. Und wenn die Kinder kein Zuhause haben, wieso sollen sie nicht in deinem Kino wohnen? Es steht doch leer.«
»Gott, was Kinder doch manchmal für absurde Dinge von sich geben. Es steht leer, na und? Meinst du, ich will deshalb, dass alle Streuner der Stadt sich dort verkriechen?«
»Aber was wird denn jetzt aus ihnen?« Scipio spürte, wie ihm heiß wurde. Und dann kalt. Furchtbar kalt. »Du hast das Mädchen doch gesehen. Was wird aus ihr? Denkst du darüber nicht nach?«
»Nein.« Überrascht sah sein Vater ihn an. Wie groß er war. »Was regst du dich so über das Geschick dieses Mädchens auf? So viel Anteilnahme zeigst du sonst höchstens für Katzen. Kennst du sie etwa doch?« »Nein.« Scipio hörte, wie seine Stimme lauter wurde. Er konnte nichts dagegen tun. »Nein, zum Teufel!«, rief er. »Muss ich sie kennen, damit sie mir Leid tut? Kannst du ihr nicht irgendwie helfen? Ich denk, du bist so unheimlich wichtig hier in der Stadt?«
»Geh in dein Bett, Scipio«, antwortete sein Vater und verbarg ein Gähnen hinter seiner schmalen Hand. »Herrgott, was für ein rundum verdorbener Abend.« »Bitte!«, stammelte Scipio. Die Tränen stiegen ihm in die Augen, und es kamen immer neue nach, so ärgerlich er sie auch wegwischte. »Bitte, Vater, vielleicht kennst du ja jemanden, der so ein Mädchen zu sich nimmt, sie hat doch nichts getan, sie ist doch bloß allein…«
»Geh ins Bett, Scipio«, unterbrach ihn sein Vater. »Himmel, ich glaube, du hast draußen zu lange den Mond angestarrt. Wahrscheinlich fängst du demnächst an, nach deinem Horoskop zu leben, so wie deine Mutter.«
»Das hat gar nichts mit dem Mond zu tun!«, brüllte Scipio. »Du hörst mir ja sowieso nicht zu! Du weißt ja überhaupt nicht, wer ich bin! Du hast ja keine Ahnung!«
Aber da zog sein Vater auch schon seine Schlafzimmertür hinter sich zu.
Und Scipio stand da und weinte.

Victor hatte eine scheußliche Nacht hinter sich. Der Mann, den er hatte beobachten müssen, war bis zwei Uhr von einer Bar in die nächste gezogen. Danach war er in einem Haus verschwunden, vor dem Victor sich bis zum Morgengrauen die Füße in den Bauch gestanden hatte. Und die ganze Zeit war der Schnee auf ihn herabgerieselt. Victor hatte das Gefühl, bis zu den Knien nur noch aus Eis zu bestehen, aus knirschendem, knackendem Eis. »Ich werde mich erst mal in die Badewanne legen«, murmelte er, als er die Brücke überquerte, von der es nicht mehr weit zu seinem Haus war. »Mit Wasser so heiß, dass man Tee damit aufbrühen könnte.«
Gähnend suchte er in der Manteltasche nach seinem Schlüssel. Vielleicht sollte er den Beruf wechseln. Die Ober in den Cafés am Markusplatz liefen ebenso viel herum wie er, aber spätestens um Mitternacht konnten sie nach Hause gehen. Oder Museumswärter, warum wurde er nicht Museumswärter? Da war noch früher Schluss. Victor gähnte schon wieder. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu gähnen. Er war so schläfrig, dass er die drei kleinen Gestalten, die vor dem Hauseingang warteten, erst bemerkte, als sie auf ihn zusprangen. Verschreckt sahen sie aus, obwohl der eine Victor eine Pistole ins Nasenloch bohrte, seine eigene Pistole, wie er feststellen musste.
»He, he, was soll das denn werden?«, sagte er

Weitere Kostenlose Bücher