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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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diese Händel unter den verschlagenen und streitsüchtigen Portugiesen, dieser papistische Kriegszug um Macht über die bedauernswerten Schwarzen, die sie derart betört und betrogen und versklavt und ausgebeutet hatten. Ich fiel in einen tiefen Schlaf und war bis zum Morgen der Welt entzogen. Und als ich erwachte, erkannte ich an der ungewöhnlichen Stille in der Stadt sofort, daß etwas Bedeutsames geschehen war.
    Ich kleidete mich an und nahm mein Frühstück ein, das mir von einem der Sklaven gebracht wurde, die Don João für mich abgestellt hatte – ich, ein elender Gefangener, hatte drei Sklaven als Diener! –, und trat hinaus in die Mitte der Dinge und sah mich um. Der große Platz war völlig verlassen. Ein Zug Soldaten marschierte vor dem umzäunten Haus der Jesuiten, an das eine neue Proklamation angenagelt war, auf und ab. Hoch oben vor dem Presidio ergingen sich andere Soldaten in Übungen. Bei den neuen Gebäuden an den Hängen war jede Arbeit zum Erliegen gekommen, und es waren nur sehr wenige Eingeborene zu sehen. Ich überlegte, zu Don Joãos Palast zu gehen, um herauszufinden, welchen Verlauf die Dinge genommen hatten, wurde jedoch von dem Hauptmann der Wache, Fernão de Souza, aufgehalten, der plötzlich aus dem Magazin auftauchte und sagte: »Du tätest gut daran, heute in deinem Haus zu bleiben, Engländer.«
    »Was ist geschehen?«
    »Der Gouverneur hat die Jesuiten in ihre Quartiere verbannt und sagt, er wird jeden Priester töten, der es verläßt. Von Pater Affonso heißt es, er bereite einen Eröffnungsbeschluß der Exkommunikation gegen den Gouverneur vor und würde bald auf dem Platz erscheinen, um ihn zu verkünden.«
    »Wahnsinn!« sagte ich.
    »Wessen? Des Gouverneurs oder des Vorstehers?«
    »Beider. Was wird geschehen, wenn der Priester hervorkommt? Soll er auf seiner eigenen Schwelle erschossen werden?«
     
    Hauptmann de Souza – soviel sei ihm zugestanden – sah überaus erschrocken aus. »Das weiß niemand, mein Freund. Wir erschießen keine Priester. Wir verweigern unserem Gouverneur nicht den Gehorsam. Wir können nicht beiden Parteien zugleich gehorchen.«
    »Wenn Ihr ein gewöhnlicher Soldat wäret«, sagte ich, »und Ihr bekämet den Befehl, einen Priester niederzuschießen, würdet Ihr ihn befolgen?«
    »Ich glaube nicht«, sagte er nach einer Weile.
    »Nun, dann ist Gouverneur d’Almeida verloren.«
    »Das glauben wir auch. Doch es könnte einen tiefen Disput geben, bevor ihm dies klar wird, und ich glaube, es wird Kämpfe geben, denn als er von Portugal kam, hat er Truppen mitgebracht, die ihm viel ergebener sind als den Jesuiten. Wir werden sehen. Ich rate dir jedoch, dich aus der Schußlinie zu halten.«
    Was kein Rat war, den ich zweimal hören mußte. Ich zog mich in mein eigenes Haus zurück und vertrieb mir dort die Zeit, und während dieses Tages geschah nichts, was irgendwelche Auswirkungen hatte, und auch nicht während des nächsten oder übernächsten. Die Jesuiten hielten sich auf ihrem Gelände auf, der Gouverneur in seinem Palast, und die einzigen Menschen auf dem Platz waren Soldaten.
    Als ich dieses Spiels des Beobachtens und Abwartens überdrüssig war, ging ich zum Hafen hinab und fischte, watete im Wasser und sprach mit den Hafenbeamten, die die Ankunft eines Schiffes aus Brasilien erwarteten und wenig Anteil an dem Geschehen in der Stadt nahmen. Ich stellte mir vor, dieses Schiff zu besteigen, den Kapitän zu ergreifen und ihn zu zwingen, mich nach England zu segeln, doch dies war nur die müßige Torheit eines heißen, feuchten Nachmittages.
    Dann kam der Sonntag, und ich fragte mich, ob die Kirche verschlossen bleiben und die Messe nicht gelesen werden würde. Doch an diesem Tage kamen die Ereignisse ins Rollen. Ich spähte auf den Platz und sah Truppen hier und da und dort, die alle gespannt zu warten schienen. Don João kam an mir vorbei, als er vom Palast des Gouverneurs zu seinem eigenen ging, und obwohl er mich sah, sprach er nicht mit mir noch begrüßte er mich. Dann erschien der Gouverneur selbst, umgeben von einer Gruppe seiner Verwandten.
    Ich hatte noch immer nicht mit diesem Don Francisco gesprochen, obwohl ich ihn natürlich schon viele Male aus der Ferne gesehen hatte: Nur dem Ansehen nach kam er mir vor wie ein Feigling und Schwächling, mit einem weichen Gesicht, schwerlidrigen, schläfrigen Augen und einem langen, dünnen Bart, der die Umrisse seines Kinns nicht verbarg. Er kleidete sich auf die erstaunlichste, phantastische Art,

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