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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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zu stellen. Ich glaube, ich würde mich lieber ohne Täuschung zwingen als mit solchen Verlockungen betören lassen, doch dies spielte keine Rolle: Ich würde in Angola verbleiben müssen.
    Wir sprachen eine Zeitlang über die Reise, die er von mir verlangte; ich sollte seine Pinasse auf verschiedenen Handelsfahrten die Küste entlang führen. Und erst als wir damit fertig waren und er sich anschickte, mich zu entlassen, stellte ich die Frage, die mir die ganze Zeit über im Kopf herum ging, die Frage, die zu stellen ich bei keinem früheren Teil unseres Gespräches einen geziemenden Grund gefunden hatte.
    Ganz beiläufig sagte ich: »Der gleiche Mann, der mir von dem Anschlag gegen Euch verriet, sagte, auch Doña Teresa sollte auf die gleiche Art erschlagen werden. Ich hoffe, dies ist nicht geschehen.«
    Don João lächelte. »Sie ist wohlauf und war niemals in Gefahr. Oh, wie sie in Lissabon aufblühte! Ihre Augen waren den ganzen Tag und die ganze Nacht über groß, und sie sog die Wunder dieser Stadt geradezu in sich auf. Doch das Winterwetter machte ihr zu schaffen, und sie war froh, nach São Paulo de Luanda zurückkehren zu können. Weißt du, sie ist jetzt verheiratet.«
    »Verheiratet?«
    Ich verbarg meine Betroffenheit nicht; ich konnte es nicht, denn die Überraschung war zu groß. Bevor sie nach Europa aufgebrochen war, hatte Doña Teresa mir gesagt, daß sie und Don João in Lissabon heiraten würden, so daß mich diese Nachricht nicht ganz unerwartet traf. Und seine Worte hatten nicht ganz richtig geklungen, denn hätte er sie geheiratet, hätte er gesagt, »Doña Teresa und ich sind jetzt verheiratet!« und nicht »Sie ist verheiratet!«. So starrte ich ihn in meiner Verwirrung an, und ich glaube, indem ich eine so starke Betroffenheit zur Schau stellte, hätte ich ihm leicht verraten können, daß mein Interesse an Doña Teresa über die bloße höfliche Neugier hinausging.
    Doch er verriet nicht, daß er es bemerkt hatte. Er sagte nur: »Aye, nach unserer Rückkehr hat sie keine Zeit verloren, sich einen Mann zu nehmen. Pater Affonso hat die Zeremonie persönlich vollzogen, und ich stand neben ihr, fast wie ein Vater es getan hätte.«
    »Und ihr Mann?«
    »Nun, es ist jener, der sich so prächtig kleidet, Hauptmann Fernão de Souza. Du kennst ihn, nicht wahr? Der Kommandant der Presidiowache? Ich glaube, sie sind schon seit langem… äh… befreundet gewesen, und nun, seit vierzehn Tagen, sind sie Mann und Frau. Du solltest sie besuchen, nachdem du dich wieder in dein Leben hier eingewöhnt hast.«
    Er erhob sich – wenn er stand, war er so überaus klein! – und gab mir die Hand, und ich dankte für die Gunst, die er mir erwiesen hatte, und verließ ihn in einem beträchtlichen Dunst der Bestürzung. Doña Teresa verheiratet! Und nicht mit Don João, sondern mit Fernão de Souza!
    Nun, ich hatte gewußt, daß sie seit langem ein Spiel mit Souza trieb. Denn als ich sie gefragt hatte, wieso sie so leicht Zutritt zu mir bekam, als ich in der Festung eingekerkert war, hatte sie ziemlich geradeheraus erklärt, Souza sei ihr Freund, und das hatte nur bedeuten können: ihr Liebhaber. Doch Souza hatte sicher gewußt, daß das, was sich in meinem Kerker zwischen Doña Teresa und mir abgespielt hatte, nicht nur eine keusche Erörterung geographischer Fragen gewesen war; und es stand außer Frage, daß er wußte, daß sie Don Joãos Mätresse war, denn die gesamte Kolonie wußte dies.
    Warum hatte er sie dann heiraten wollen? Hatte er keinen Stolz? Konnte er sich ein Weib zur Frau nehmen, von dem jeder wußte, daß sie es seit einigen Jahren mit dem Gouverneur der Kolonie trieb und mit dem englischen Gefangenen Battell? Ich glaube, ich hätte Anne Katherine nicht geheiratet, wenn halb England gewußt hätte, daß sie eine abgelegte Geliebte von, sagen wir, Sir Walter Raleigh gewesen wäre und ich ihr überdies noch geholfen hätte, einem spanischen Seemann beizuwohnen, der bei der Niederlage der Armada gefangengenommen worden war.
    Doch nachdem ich noch etwas darüber nachgedacht hatte, begriff ich, daß man diese Dinge nicht miteinander vergleichen konnte. Denn dies war weder England noch irgendein anderes zivilisiertes Land, sondern nur eine abgelegene Kolonie am Rande eines heidnischen und barbarischen Landes. Es gab sehr viele Männer hier und wenige Frauen, zumindest wenige, die man wie Doña Teresa für Europäerinnen halten konnte. Ich nahm an, daß jene Regeln der Keuschheit und des Anstandes, die

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