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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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du verheiratet?«
    »Das bin ich«, sagte Tomer. »Mit drei Jungs von ihr.«
    »Und bleibt sie dir treu, während du auf Reisen bist?«
    »Ich stelle dies nicht in Frage, guter Andy. Mein Gewerbe hält mich mitunter lange Monate von ihr fern und nun vielleicht auf ewig. Soll ich einen solchen langen Zeitraum über keusch bleiben? Und wenn ich es nicht bin, warum denn sie? Nay, ich stelle keine Fragen darüber.« Er lachte breit. »Wie alt bist du, Andy?«
    »Ich wurde im Monat von Königin Elisabeths Thronbesteigung geboren.«
    »Dann bist du dreißig, glaube ich. Ein Mann mittlerer Jahre, und doch wirkst du in mancher Hinsicht noch sehr jung.«
    »Aye«, sagte ich, »ich hatte einen späten Anfang, und ich verlor in meinem frühen Mannestum ein paar Jahre durch Trauer und Verwirrung, da keine Vernunft in meinen Kopf kommen wollte. Doch keine Angst, Thomas: Ich bin kein Narr. Dirnen mit spitzen Zähnen und Brüsten, die spitz hervorstehen, erregen mich diese Woche nicht, das ist alles.« Und wir lachten und umarmten uns, schlugen uns auf den Rücken und nahmen unsere Pflichten auf Deck wieder auf.
    Doch ein schwerer Trübsinn senkte sich über mich. Ich sah, wie Anne Katherine in der Luft vor mir erschien, und sie weinte und trug Witwentracht. Und ich dachte bei mir, wie seltsam, daß ich hier in diesem Land der gespitzten Zähne und genarbten Wangen bin und der Coccodrillos und eines Luzifers, der nackt an einem Flußufer steht, und England so fern und wahrscheinlich für immer für mich verloren. Es ist der Preis des Reiches, wie Francis Willoughby vor langem einmal sagte, daß einige unseres Volkes wie Samen in fremden Boden verstreut werden: doch warum war ich es, der so verstreut wurde? Tomer mochte schon recht haben, sich mit jedem Trost, der zur Hand war, zu trösten, denn das Leben, das wir in England kannten, gab es für uns nicht mehr, und wir waren etwas anderes an diesem Ort, entkleidet unserer Versprechen und unserer Persönlichkeit. Die Vergangenheit war so nackt wie dieser Jaqqa am Flußufer.
    Und dann dachte ich, nay, ich bin Andrew Battell aus Leigh in Essex, und ich werde zumindest Andrew Battell bleiben, ein Mann aus Essex, und wenn Gott will, werde ich Essex wiedersehen und Anne Katherine und das Haus meiner Familie.
    Und nun, da ich weiß, was dieser junge Mann auf der Fluß-Pinasse nicht wissen konnte, da ich weiß, was alles ich in diesen zwanzig Jahren und mehr, die seitdem vergangen sind, getan habe und man mir angetan hat, frage ich mich nun, bin ich noch immer Andrew Battell aus Leigh in Essex, oder habe ich mich gewandelt, bin ich wie durch Magie zu einem Wechselbalg geworden? Und ich antworte, ja, ich bin noch immer Andy Battell, doch ein größerer und seltsamerer Andy Battell, als es jemals beabsichtigt war, als mein Vater mich zeugte. Und obwohl ich Taten begangen habe, die ein Engländer als Ungeheuerlichkeiten bezeichnen würde, bin ich doch noch immer ein Mann Gottes und ganz bestimmt ich selbst.
    Ein trüber Flußnebel hob sich und machte unsere Reise gefahrvoll, und in dieser grauen Schwere hob sich meine Melancholie. Ich fand mich zu sehr von meinen Pflichten beansprucht, als daß ich betrübt darüber nachdenken konnte, daß ich ein Verbannter und Gefangener war, und zu vereinzelten Gelegenheiten fragte ich mich sogar, wie es gewesen wäre, einem Mohrenmädchen beigewohnt zu haben. Wir zogen an den schlammigen Ufern vorbei. Aus dem Nebel kam furchterregendes Muhen und Bellen – von welchen Geschöpfen, weiß ich nicht, doch es waren nicht die Kühe und Hunde Englands. Der Nebel hob sich ein wenig, und wir sahen, daß sich ein zweiter Fluß in den Kwanza ergoß. Dies war der Lukala, der aus dem Nordosten floß, und genau hinter diesem Zusammenfluß der Gewässer lag das Presidio Masanganu.
    Henrique zitterte, als er auf das kleine steinerne Fort zeigte. »Dies ist ein schrecklicher Ort«, sagte er. »Es ist das unbeständigste Land unter der Sonne. Am Morgen sind die Männer noch fröhlich, und innerhalb von zwei Stunden sind sie tot. Bei einigen schwellen die Beine mitunter an, bis sie dicker sind als die Leiber, wenn sie sie auch nur benetzen: bei anderen brechen sie an den Seiten auf, und es fließt Wasser hinaus. Ich verabscheue diesen Ort.«
    »Werden wir lange hier sein?« fragte ich.
    »Einige Wochen.«
    »Es hätte schlimmer kommen können.«
    Er musterte mich ausgiebig.
    »Oh, wenn du die unerträgliche Hitze des Landes kennen würdest, wäre es dir tausend Mal lieber,

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