Herr der Finsternis
mich neben ihn. »Laßt mich Euch helfen, wie ich nur kann«, sagte ich, »denn wenn ein Engländer nicht dem anderen hilft, wer soll ihm überhaupt helfen?«
Er sah mich weniger düster an und beruhigte sich etwas.
»Sagt mir, wie Ihr an diesen Ort gekommen seid, Freund«, sagte ich.
»Die Portugiesen haben mich hergebracht«, erwiderte er, »nachdem sie mich fünf Jahre lang als Sklaven auf ihren Galeeren hatten, und einmal haben sie mich ausgepeitscht, bis ich nicht mehr aufrecht gehen konnte, und danach verlor ich mein Augenlicht; und sie brachten mich nach São Tomé, doch dort war ich nicht erwünscht, und sie brachten mich hierher, auf daß ich hier sterbe.«
»Ihr habt viel gelitten.«
»Sie haben mich völlig zerstört. Aber sie hatten Grund, mir zu schaden, denn ich war einmal ein Freibeuter-Kapitän, durchstöberte König Philips Meere und machte große Beute an seinen Schiffen, bis sie mich griffen.«
»Ah«, sagte ich, »ich war auch einmal Freibeuter, wenngleich ich auch kaum Beute gemacht habe. Wo kommt Ihr her?«
»Aus Essex«, sagte er. »Ich komme aus der Stadt Leigh, die nah dem Meer liegt. Kennt Ihr sie zufällig?«
»Aye«, sagte ich.
Und ein gewaltiges Frösteln lief mein Rückgrat hinab, nachdem er dies gesagt hatte, und ich war bald gelähmt vor Erstaunen, und mein Atem kam in plötzlichen, heftigen Stößen aus meiner pochenden Brust; denn ich beugte mich zu ihm hinüber, versuchte, die Umrisse seines Gesichts unter den Veränderungen auszumachen, die die Jahre bei ihm bewirkt hatten, und ich sah, daß ich ihn kannte, obwohl ich beinahe nicht glauben konnte, daß dieser Mann… dieser Mann…
»Mein Name«, sagte er, und obwohl er es mit einem kratzigen Flüstern sagte, explodierten die Worte in meinen Ohren wie das Bombardement von hundert Kanonen, »mein Name ist Abraham Cocke.«
»Ah, das dachte ich mir!«
Und einen Augenblick lang überlegte ich mir, ihn totzuschlagen, wie ich es mir so oft vorgestellt hatte, wenn ich diesem Mann jemals noch einmal begegnen sollte. Doch wie konnte ich diesen schwachen, alten Schurken schlagen, den die Jahre und die Not schon vernichtet hatten?
»Ihr kennt mich?«
»Ihr seid dieser große Kapitän«, sagte ich, »der im April des Jahres 1589 mit zwei Pinassen aus der Themse auslief, mit der May-Morning und der Dolphin, und der den Fluß de la Plata als Ziel hatte.«
Er erhob sich halbwegs und öffnete weit seine blinden Augen, obwohl es ihm nichts half, denn er konnte mich nicht sehen.
»Ihr wißt von diesen Schiffen? Ihr erinnert Euch an diese Reise? Wer seid Ihr? In Jesu Namen, wer seid Ihr, Mann?«
»Ich bin Andrew Battell.«
»Andrew Battell?« Er sprach den Namen ruhig, neugierig wie jemand, der ihn nie zuvor gehört hatte. »Battell? Das ist ein Name aus Leigh, nicht wahr?«
»Thomas James Battell war mein Vater, und meine Brüder waren die Seefahrer Thomas und Henry und John.«
»Ah. Ich kenne diese Namen.«
»Und der Name Andrew Battell ist Euch unbekannt?«
»Er hallt in meinem Kopf, aber ich kann ihn nicht richtig unterbringen.«
»Nay«, sagte ich, »es ist so viele Jahre her, daß Ihr es sicher vergessen habt. Doch wir kämpften gemeinsam gegen die Armada, auf der Margaret and John.«
»Aye. Ich erinnere mich gut an dieses Schiff.«
»Und danach fuhrt Ihr mit der May-Morning und der Dolphin auf Kaperfahrt…«
»Aye.«
»Und ich gehörte zu Eurer Besatzung.«
»Es ist so lange her, guter Andrew.«
»Aye, einundzwanzig Jahre, diesen April. Und wir segelten zuerst in afrikanischen Gewässern, sogar nach São Tomé, und dann westlich, eine schwere Reise, auf der wir große Not litten.«
»Aye, eine schwere Reise.«
Ich erzitterte vor Wut, als ich mich daran erinnerte. »Und da war eine Insel namens São Sebastião, unter dem Wendekreis des Steinbocks, wo wir fürchterlichen Hunger litten. Und Ihr bestimmtet ein paar Männer, die an Land gehen und Nahrung und Wasser beschaffen sollten.«
»Es ist so lange her. Ich kann mich nicht erinnern. Es gab so viele Reisen, so viele Inseln.«
»Ihr wähltet ein paar Matrosen aus und schicktet sie auf die Insel, und dann fielen Indianer über sie her. Und erschlugen ein paar von uns. Einige entkamen. Doch wir waren auf dieser Insel verloren, denn unser Kapitän war davongesegelt, ohne nach uns zu suchen, und ich war unter diesen Männern, Kapitän Cocke.«
»Ah«, sagte er mit Grabesstimme. »Ah, ich glaube, ich erinnere mich schwach daran.«
Ich schob mein Gesicht vor das
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