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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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stöhnend auf einer fauligen Strohmatte, und aus der Dunkelheit des Dschungels tauchten diese Diaboli auf, mit Augen, die wie weiße Flammenkreise funkelten. Um mich herum marschierten sie, herum und herum und herum. Einer von ihnen spielte auf einer Flöte, die aus Knochen gefertigt war, und einer trug über Kopf und Schultern eine Coccodrillo-Maske, nur Schnauze und Zähne und Grinsen, und einer schlug auf eine Trommel aus Menschenhaut, auf der noch die Muttermale zu sehen waren. Und sie sangen in ihrer Jaqqazunge zu mir, doch ich verstand ihr Lied, das ein Lied des Todes, ein Lied des Zorns war.
     
    Das Verbrennen ist die Freude
Die Folter ist das Vergnügen
Das Töten ist die schöne Kunst
Das Verzehren die Krone von allem.
     
    Und so weiter, lange Knittelverse, erfüllt mit höllischer Lebhaftigkeit und Begeisterung.
    Vor meinen träumenden Augen fielen diese schwarzen Unholde über das Dorf her, und ich wußte, daß es das Dorf Muchima war. Ob ich die Augen nun schloß oder sie geöffnet ließ, ich sah den gleichen Anblick, ein höchst abscheuliches Hinschlachten, gefolgt von einem Fest, das dem ähnelte, dem ich in Brasilien beigewohnt hatte, einem Fest, bei dem Menschenfleisch verzehrt wurde. Einen Unterschied gab es, denn diese Jaqqas verschlangen ihre Opfer nicht nacheinander, sondern nahmen einen gewaltigen Kessel von der Größe einer Barke oder Karavelle, füllten ihn mit Wasser, das sogleich sprudelte und Blasen warf, und stießen die Dörfler zu Dutzenden hinein. Und als sie gekocht waren, brachte mir der größte der Jaqqas, ein Riese mit dem Körper eines Gottes und einem lang hinabbaumelnden Geschlechtsteil, das wie eine schwarze Schlange anmutete, einen Schenkel und einen Arm und sagte: »Hier, Engländer! Nimm und iß! Nimm und iß! Dieses Fleisch wird dich heilen!« Und ich hatte keine Wahl und mußte essen, doch siehe, das Fleisch war zart und wohlschmeckend, und Kraft strömte in meinen kränkelnden Körper, bis ich mich von meinem Bett erhob und unter den Jaqqas durch die rauchenden Ruinen des Dorfes tanzte.
    Solcher Art waren meine Trugbilder. Es war keine Wahrheit in ihnen, nur die eines zerrütteten Verstandes. Doch wie ich herausfinden würde, beinhalteten sie eine Prophezeiung. Sie waren Vision und Orakel zugleich.
    Die Jaqqas sangen und tanzten und speisten und waren verschwunden. Und ich lag schwitzend und mich erbrechend da und dachte, ich kann noch nicht tot sein, denn ich fühle Schmerz in jedem Knochen, und vom Tod heißt es ja, er würde Erleichterung von solchem Übel bringen.
    Nach den Jaqqas kam Ihre Protestantische Majestät Königin Elisabeth in mein Zimmer.
    Sie war ganz in strahlendes Weiß gekleidet; in ihre Robe waren funkelnde Edelsteine eingelassen, und sie war mit Hermelin besetzt. Die Krone auf ihrem Kopf hatte goldene Spitzen, die sich fingerhoch erhoben, und auf jeder Spitze saß ein kleiner Rubin oder Smaragd, höchst kunstfertig zu einem Männerkopf geschnitten, genau wie die gepökelten Köpfe der Verräter, die auf Pfählen die London Bridge säumen. Sie trug das Zepter und auch den Reichsapfel, doch diese legte sie nieder und beugte sich über mein Bett, so daß ihr üppiges rotes Haar in mein Gesicht fiel und ich ihren kalten süßen Atem fühlte und das strahlende Wunder ihres Lächelns sah.
    »Armer Andy«, murmelte sie. »Wie du für mich leidest!«
    Und sie nahm meine Hand in die ihre, streichelte sie, um die Hitze aus meinem Fleisch zu ziehen, und sagte leise: »Ich erinnere mich, wie es damals war, als ich die Pocken hatte und glaubte, daran sterben zu müssen; alles war gleichzeitig Alpha und Omega für mich. So ist es auch für dich, nicht wahr? Doch ich habe mich erholt, und du wirst dich auch erholen und wieder erstarken, und wenn du zu mir zurückkehrst, werde ich dich zum Herzog schlagen, nicht wahr, Andy? Zum Herzog von Angola. Zum Grafen von Masanganu. Und dir Land und Schlösser und zehntausend Pfund das Jahr geben, denn du bist mein einziger Sohn, an dem ich großen Gefallen finde.«
    Und viel mehr Geschwätz der gleichen Sorte; sie erzählte mir Geschichten vom Hofe, über die Taten des Grafen von Leicester und Lord Burghley und Sir Walter Raleigh und all dieser Männer, und dann sprach sie von ihrer schrecklichen spanischen Schwester Maria, Maria Tudor, die im Jahr meiner Geburt gestorben ist und uns alle zu Papisten gemacht hätte, wenn sie gelebt hätte. Die Königin erzählte mir flüsternd, wie die Blutige Maria sich kalt mit ihrem Mann

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