Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Hinsicht begabt. Was mein Verstand einmal aufnimmt, umklammert er mit einem angstmachenden Griff. Wir beluden unser Schiff und brachen mit einer Mannschaft auf, die halb so groß war wie die auf dem Hinweg, denn Henrique und zwei seiner Männer lagen jetzt in ihren Gräbern, und einer war zu krank, um mit uns zu fahren. Die unter meinem Kommando zeigten mir keine Geringschätzung, weil ich ein Engländer war. Warum sollten sie es auch, wollten sie doch nur diesen höllischen Ort verlassen? Hätte der Antichrist auf dem Achterdeck gestanden, sie hätten auch von ihm Befehle entgegengenommen.
    Als wir uns Muchima näherten, einen Tag und einen halben flußabwärts, sahen wir schon von weitem, wie sich Rauch über die Palmen erhob, und dann kam das Dorf. Ein Racheengel hatte es heimgesucht oder, was wahrscheinlicher war, eine Horde Dämonen. Ein Wirbelsturm an Mördern war hindurchgebraust. Der Ort war geplündert und völlig verwüstet; überall lagen Leichen und herausgerissene Körperteile. Es war ein schrecklicher Anblick. Die Palmen, die den Wein gaben, waren an den Wurzeln gefällt worden, und die Anpflanzungen waren umgegraben und schlimm verwüstet worden und alle Fischnetze zerrissen, und die Leichen der Menschen waren auf schlimmste Weise verstümmelt. So viel Blut tränkte die schwarze Erde, daß sie unter unseren Füßen scharlachrot erschien, als gingen wir auf protzigen Teppichen oder den Roben von Kardinälen. Auch das portugiesische Presidio war geschliffen, und einer der Portugiesen lag tot und in seinem Blute darin, während die beiden anderen verschwunden waren.
    »Die Jaqqas, das waren sie«, sagte einer meiner Männer.
    Da endlich begriff ich, daß dieser einsame schwarze Prinz, den wir am Flußufer gesehen hatten, ein Kundschafter gewesen war, ein Verkünder des nahenden Unheils. Die Teufelsbrut hatte alles Leben abgeschlachtet, selbst das Vieh und die Hunde. Wir suchten nach den Leichen der beiden vermißten Portugiesen, fanden sie jedoch nicht. »Man hat sie gegessen«, sagte ein Matrose, und die anderen nickten zustimmend.
    Tomer erstaunte mich, indem er Tränen zeigte. Um die Portugiesen? Nein, um das Mädchen, das er gehabt hatte, um die Dirne mit den gespitzten Zähnen, auf deren nicht gerade entflammtem Körper er seine Leidenschaft befriedigt hatte. Von einer qualmenden Hütte zur anderen ging er und suchte in dem fürchterlichen Gemetzel nach ihren Überresten. Ich trat zu ihm, ergriff seinen Arm und sagte sanft: »Warum bist du so betroffen wegen ihr?«
    »Sie war warm und weich in meinen Armen. Ich möchte ihr zumindest ein anständiges Begräbnis geben.«
    Ein Portugiese kam zu uns, um zu fragen, wann wir weiterführen. Ich erklärte schnell, daß wir zuerst die Leiche dieses Mädchen suchen müßten, und er schüttelte den Kopf.
    »Nay«, sagte er. »Die Jaqqas töten alles, doch nicht die Jungen und Mädchen von dreizehn oder vierzehn Jahren. Die nehmen sie gefangen und ziehen sie als ihre eigenen Kinder auf. Alle anderen erschlagen sie, und viele essen sie, doch nicht die jungen.«
    Dies wiederholte ich Tomer, der daraufhin seine Tränen aus den Augen blinzelte. Wir kehrten zur Pinasse zurück. Die völlige Zerstörung betäubte mich und ließ mein Blut gefrieren. Sollte es in unseren christlichen Tagen noch solches Böse auf unserer Erde geben? Diese glücklichen Menschen ausgelöscht? Wofür? Ihre Palmen niedergemacht, die süßen Wein gaben. Ich dachte darüber nach, und es war, als starrte ich in das Glas eines Zauberers und sähe darin solch ein Reich der Teufelskunst und Monstrosität, daß ich in heillose Furcht stürzte, als sei das Pandämonium über die Erde hereingebrochen und würde sie vereinnahmen, einen Ort nach dem anderen. Ich verspürte eine Krankheit der Seele. Und beizeiten eine andere Art der Krankheit: Denn am nächsten Tag kündigte sich das erste Pochen des Fiebers in mir an, und als wir flußaufwärts eilten, pochte mein Kopf und strömte Schweiß über meine Haut und gaben meine Gedärme nach, und ich sah alle Dinge doppelt, so daß ich mein Schiff kaum sicher durch die Coccodrillobänke steuern konnte, und als wir São Paulo de Luanda erreichten, war ich scheußlich krank. Ich dachte, meine letzte Stunde würde im Galopp zu mir eilen.
6
    Phantome suchten mich in meinem fiebrigen Schlaf heim.
    Zuerst kam eine Horde von hoch aufgeschossenen Jaqqas, angeführt von einem wahrhaftigen Bocksbein, neun Fuß groß und schwarz wie die Nacht. Ich wälzte mich

Weitere Kostenlose Bücher