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Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Corin
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Giants trainierten für ihr erstes Vorbereitungsspiel. Ihr Gegner waren die Dodgers. Wie lustig, dass zwei New Yorker Mannschaften, zwei Rivalen, im selben Staat im Westen gelandet waren. Die Begeisterung für Baseball hatte Lilly von ihrem Vater. Dieser Mann liebte seine Western, und er liebte sein Baseball. Wie durch und durch amerikanisch.
    Sie hatte seit ihrer Rückkehr noch nicht mit ihren Eltern gesprochen. Die hinterließen zwar immer wieder Nachrichten auf ihrem Handy, fragten, ob es ihr gut gehe, ob sie irgendetwas für sie tun könnten. Sie hatten aus der Zeitung von ihrem Martyrium erfahren. Doch das war zu wenig, und es war zu spät. An dem Tag, an dem sie sich geoutet hatte, damals mit fünfzehn, war sie von ihnen praktisch auf die Straße gesetzt worden. Und jetzt auf einmal wollten sie ihr helfen?
    Draußen jammerte eine Katze. Jemand musste sie draußen im Regen gelassen haben. Armes Ding. Lilly überlegte, ob sie hinaus in das Unwetter rennen sollte, um die Katze zu retten. Sie wusste, dass Penny Thunfisch im Schrank hatte.
    Sie blätterte zum Lokalteil.
    Ja, sie hätte die Zeitung auf ihrem Laptop lesen können, doch bedrucktes Papier war so viel sinnlicher. Sie mochte es, wenn ihre Finger schwarz wurden. Das hatte etwas Symbolisches. Oder sie war auf ihre Weise einfach genauso konservativ wie ihr alter Herr.
    Draußen schrie die Katze noch immer.
    Gerade wollte sie die Zigarette ausdrücken und das arme Tierchen retten, als ein Bericht im Lokalteil ihre Aufmerksamkeit erregte. Präsidentschaftskandidat Bob Kellerman sollte heute auf der Sproul Plaza sprechen, dem historischen Versammlungsort der University of California, Berkeley. Zweifellos würde der „Chronicle“ seine lahmen politischen Korrespondenten hinschicken. Aber war einer von denen vielleicht mit Deedee Rimes auf die Highschool gegangen, Sergeant bei der Campus-Polizei von Berkeley?
    Lilly suchte nach ihrem Handy.
    Deedee war nicht gerade erfreut. „Das soll doch wohl ein verdammter Witz sein, L.“, rief sie.
    „D., du schuldest mir was …“
    „Fang bloß nicht damit an.“
    „In der elften Klasse …“
    „Nicht, L.“
    „Wenn ich diesen Essay nicht für dich geschrieben hätte …“
    „Ach du guter Gott.“
    „D., du weißt, dass ich recht habe.“
    „Natürlich weiß ich, dass du recht hast. Schließlich erinnerst du mich jedes verdammte Mal daran, wenn wir ein Bier trinken gehen. Du erzählst es dem Barkeeper. ‚Meine Freundin Deedee gibt mir jetzt einen Drink aus. Wollen Sie wissen, warum?‘“
    Lilly nuckelte an ihrer Marlboro und seufzte Rauchschwaden. „Ich habe echt Probleme, D. Kein Glück gehabt in letzter Zeit. Ich brauche das.“
    Schweigen am anderen Ende. Dann: „Danach sind wir aber endgültig quitt, L. Wenn du die elfte Klasse auch nur erwähnst, trete ich dir so fest in den Hintern, dass sogar deine Vorfahren noch Krücken brauchen. Kapiert?“
    Lilly hatte kapiert und hüpfte unter die Dusche. Sie verstand so gut wie gar nichts von Politik, doch ein Exklusiv-Interview mit einem nationalen Politiker war etwas Besonderes, wie man es auch drehte und wendete. Sie brauchte nichts anderes zu tun, als ihm oder seinen Mitarbeitern die richtigen Fragen zu stellen – und so unerbittlich nachhaken, wie es sich diese Schlafmützen von politischen Journalisten niemals trauen würden. Und dann würde sie von ihrem Herrn und Meister, dem „San Francisco Chronicle“, in aller Gnade wieder in die Arme genommen werden.
    Es war wirklich ein alter Trick. Öffentliche Personen waren so ziemlich gegen alles gewappnet, was ein Journalist ihnen an den Kopf knallen konnte, deswegen musste man sie mit einer vollkommen absurden Behauptung überrumpeln. Dann hatte man sie. Aber was konnte das sein?
    Lilly machte sich nichts vor. Natürlich war das keine faire Herangehensweise. Eher eine reine Verzweiflungstat. Sie hatte sich inzwischen angezogen. Als sie ging, schnappte sie sich eine Dose Thunfisch aus dem Schrank und trug sie hinaus auf die Veranda. Während sie unter der Dusche gestanden hatte, war aus dem heftigen Regenguss hässlicher Niesel geworden. Die Katze, weiß gefleckt und durchgeweicht, hatte sich unter einer Markise zusammengerollt.
    „Braves Kätzchen“, sagte sie und steuerte auf ihren kostbaren pinkfarbenen VW zu, der neben dem Briefkasten geparkt war. Sie hatte den alten Wagen in einem Stadtanzeiger entdeckt. Es dauerte immer eine Minute, bis er ansprang, doch wenn er mal lief, dann schnurrte er wie,

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