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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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eigenartig.
    Irgendwann wurden sie von Wirtshauslärm, von Musik, Tellerklappern, Stimmengewirr in einen typischen Prager Innenhof gelockt, wo unter Weinranken und Laternen lange Biertische und Bänke standen, voll besetzt mit ausgelassenen Touristen, dazwischen wenige Tschechen.
    Einige junge Leute winkten den beiden zu, rückten zusammen und so quetschten sich Moritz und Alfred auf die Bank und bestellten zwei Bier. Neben Alfred saß eine milchkaffeefarbene junge Frau aus Amsterdam, deren Eltern aus Curacao nach Holland eingewandert waren, wie Alfred bald erfuhr. Während er sich angeregt mit ihr unterhielt, konnte er hin und wieder durch die weiten Ärmel in ihr T-Shirt schauen und war entzückt.
    Moritz hatte das Pech, neben einem österreichischen Geschäftsmann zu sitzen, der sofort versuchte, ihn für eine einmalige Investment-Idee zu begeistern. Moritz sah eben aus wie ein Kapitalist. Er sei in einen Glückstopf gefallen, prophezeite ihm sein Nebenmann, denn er hatte hier und heute, es gab ja keine Zufälle, die letzte Gelegenheit, in einen Fonds einzusteigen, der Kapital für Bauvorhaben in den Boomländern Osteuropas zur Verfügung stellte, die noch vor dem ersten Spatenstich langfristig vermietet waren, wobei man diese Verträge als Sicherheit für Kredite hinterlegen konnte, um somit noch mehr Kapital für noch mehr dieser garantiert wasserdichten Projekte zu generieren. Das sei ein Investment für Anleger, die in langfristigen Zyklen planten. In zehn Jahren, das bekäme er sogar schriftlich, hätte sich der Einsatz verdreifacht.
    Dann bin ich fast neunzig, sagte Moritz.
    Ist doch wurscht, meinte sein Tischnachbar, Geld ist Geld, und gab ihm eine Visitenkarte.
    Darf ich Sie was fragen?, kam er nah an Moritz ran.
    Fragen Sie.
    Sind Sie Jude?
    Ja, aber was tut das zur Sache?
    Die Juden sind ja die besten Geschäftsleute. Unser Chef ist auch einer. Der Serge Turteltaub. Ein Wiener. Ein Fuchs. Kennen Sie den zufällig?
    Nein, sagte Moritz, ich kann nicht jeden Juden kennen.
    Dem seine Familie hat schrecklich viel mitgemacht unter den Nazis.
    Ein typischer Abend, dachte Moritz, wieder war man beim Holocaust angelangt.
     
    An einer Tankstelle kurz vor Karlsbad hatten sie angehalten und Alfred vertrat sich ein wenig die Beine. Moritz war dabei, sich seine Autohandschuhe anzuziehen, halbe Finger, Strick mit hellem Leder und einem Druckknopf – er fuhr niemals ohne –, als der dicke, verschwitze Inhaber der Tankstelle erschien und lächelnd um den Wagen herumstrich. Dann wischte er sich die Hände an seinem karierten Hemd ab, steckte sie verlegen unter die Hosenträger und trat an Moritz heran.
    Mit Verlaub, wenn Sie möchten gestatten, gnädiger Herr, begann er wie ein Wiedergänger des Soldaten Schwejk, aber wenn Sie so gut sein möchten und einmal für mich die Motorhaube aufmachen könnten, wenn’s beliebt.
    Wir brauchen kein Öl, danke, sagte Moritz.
    Der Mann lachte und zeigte seine wenigen Zähne.
    Nein, es ist nur wegen dem Motor, ich hätte ihn halt gern einmal gesehen, den Motor, wenn es möglich wäre. Man sieht sie ja nicht mehr so oft, solchene Maschinen, nicht wahr.
    Gern, meinte Moritz, ging zum Wagen und zog an einem Hebel.
    Mit einem satten Ton bewegte sich die Haube und der Tankstelleninhaber klappte sie hoch. Alfred kam hinzu und zu dritt schauten sie auf den Motor.
    Wunderbar, schwärmte der Mann, diese Verarbeitung, die Kraft, die man spürt, die was aus den Zylindern herauskommt.
    Dann schaute er zu einem Schuppen neben der Tankstelle, der wohl als Werkstatt diente, und rief:
    Pavel!
    Ein junger Mann im Overall kam rasch herbeigelaufen.
    Das ist mein Sohn, wenn’s beliebt, sagte der Mann.
    Pavel, schau hier rein. No, was siehst du da?
    Er zeigte in Richtung des Luftfilters.
    Der junge Mann starrte in den Motorraum und sagte leise:
    Motor?
    Du Depp, rief der Mann und schlug seinem Sohn mit der flachen Hand auf den Hinterkopf, bevor er fragte:
    Was ist das? Hier. Das da.
    Pavel bückte sich, schaute unter den Filter und zuckte mit den Schultern.
    No, ein Vergaser ist das! Ein Vergaser! So was kennen die jungen Menschen heut’ nicht mehr. Nur die Deitschen konnten erstklassige Motoren bauen, stimmt’s?
    Ja, bestätigte ihm Alfred, mit Vergasen kennen sie sich aus.
    Der Garagist nickte.
    Da haben Sie recht, mein Herr. Es gibt keine Vergaser mehr. Was für eine Welt! Man steckt nur noch Kabel an Computer und fertig.
    Mit einer harschen Handbewegung schickte er Pavel zurück an die Arbeit.

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