Herr Klee und Herr Feld | Roman
Vorlesung hielt, haben mich zweihundert Studenten angeglotzt, aber ich konnte nie sicher sein, ob da etwas hängen blieb.
Sie lachte:
Bei Marmelade bleibt was hängen!
Er lächelte.
Allerdings. Man präpariert die Früchte, man kocht sie, man verfeinert sie und ein paar Stunden später stehen sie hier unten. In Gläsern, säuberlich beschriftet und haben einen Sinn. Ich verschenke sie an Freunde.
Sie schaute versonnen auf die Gläser.
Toll, sagte sie.
Finden Sie wirklich?
Natürlich, ich lüge nicht.
Er gab ihr wortlos ein Glas.
Nein, ich kann das nicht annehmen, sagte sie.
Warum nicht?
Sie kennen mich nicht.
Sie werden mir das leere Glas hoffentlich zurückgeben?, fragte er.
Beide lachten.
Und Ihr Bruder? Hat der auch ein Hobby?
Moritz dachte einen Augenblick nach. Dann sagte er:
Jetzt, wo Sie das fragen … ich glaube, er ist sein Hobby.
Sie standen in der kleinen Wohnung unter dem Dach, die noch nach Frau Stöcklein roch. Während Moritz das Fenster öffnete:
Ich wollte sie renovieren lassen, aber unsere Haushälterin war allergisch gegen Farben …
Ich nicht, meinte Zamira, kann ich streichen.
Das kommt nicht infrage. Also, wenn Sie … ich meine, wenn wir uns einigen, dann wird die Wohnung picobello hergerichtet.
Sie ging zum offenen Fenster und schaute hinaus. Er sah ihre wundervolle Figur im Gegenlicht.
Schön, sagte sie.
Ja, meinte er versonnen. Sehr schön.
Moritz war fasziniert. Ihre anmutigen Bewegungen. In ihren Händen hielt sie das Marmeladenglas. Sie drehte sich zu ihm um und fragte:
Das gehört alles Ihnen? Auch der Garten?
Ja, sicher.
Wir haben alles verloren. Durch Israel.
Moritz wollte sich auf keinen Fall auf dieses Thema einlassen.
Er lenkte ab:
Eigentlich wäre ich gern woanders, sagte er.
Und wo?
Moritz überlegte.
Also … es ist schwer zu sagen … mal hier, mal dort.
Reisen Sie gern?
Ja, sagte er, aber ich bin auch gern zu Hause.
Was erzähle ich denn da, dachte er.
Zamira und Moritz standen im Hausflur.
Wie gesagt, meinte Moritz, ich möchte, dass sich auch mein Bruder äußert. Schließlich müssen wir alle hier zusammenleben.
Versteh ich, sagte sie, ich komme noch mal vorbei.
Sie lächelte.
Etwas lag Moritz auf der Seele und er musste es loswerden. Er räusperte sich.
Es gibt noch eine Sache, die Sie wissen sollten. Also, es ist so … Sie sind Islamistin … nein, ich will sagen, Sie glauben an Allah.
Ja. Ich bin Muslima, sagte sie. Aber bin ich nicht religiös. Und Sie?
Nun, ich bin … ich bin jüdisch!
Zamira war überrascht.
Jude? Sie sind sicher?
Moritz lächelte über ihren Einwand.
Ja, ganz sicher.
Und Freddy Clay auch?
Ja, Frau Latif, seine Stimme wurde fester. Unsere Familie ist jüdisch.
Ein Moment der verlegenen Pause folgte.
Warum Sie sind nicht in Israel?
Warum sind Sie nicht in Hebron?, fragte er sofort zurück.
Weil man nicht in Hebron leben kann. Wollen Sie wissen, warum?
Moritz spürte eine unterschwellige Aggression.
Es liegt mir fern, sagte er, die israelische Siedlungspolitik zu verteidigen. Ich bin nur ein einfacher Jude und nicht verantwortlich für die israelische Regierung. Für mich ist das ein Unterschied, leider nicht für Ihre Extremisten.
Sie sah ihn an und fragte:
Sie waren in KZ ?
Nein. Wir konnten rechtzeitig in die USA flüchten. Aber mein Vater ist im KZ umgekommen und viele aus unserer Familie.
Zamira schaute ihn ernst an und sagte:
Heute behandeln die Juden die Palästinenser so, wie die Nazis die Juden. Die Juden sollten doch wissen, wie das ist.
Erstens ist das nicht wahr. Gaza oder das Westjordanland mit einem KZ zu vergleichen, ist infam, schoss Moritz zurück. Zweitens: Auschwitz war keine Universität, dort hat man nicht Humanität gelehrt. Warum erwartet man immer von den Juden Verständnis und Nachgiebigkeit? Sie sind ein Volk wie jedes andere. So gut und so schlecht.
Die Stimmung hatte sich verändert. Beide spürten das. Zamira schaute auf die Uhr. Hoffentlich behält sie das Marmeladenglas, dachte Moritz.
Sie stellte es auf die Konsole.
Ich muss überlegen, sagte sie, ich melde mich.
Nachdem sie gegangen war, musste Moritz lange an sie denken. Nein, sie war keine eingeschleuste Terroristin. Er hoffte, sie würde den Job annehmen.
Sie waren im Garten. Alfred war im Begriff, einen Kopfstand zu machen. Er trug einen Jogginganzug.
Sie ist nett. Und nicht dumm, sagte Moritz, der am Gartentisch saß.
Wenn du »nicht dumm« sagst, meinst du »intelligent«,
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