Herr Klee und Herr Feld | Roman
Geschichte. Das haben Sie in der Schule gelernt. Aber nicht alles, was man lernt, stimmt. Lernen ist immer ideologisch verfärbt. Kein Lehrer in Hebron wird sagen, wir hatten auch Schuld. Die arabischen Führer hatten die Absicht, die Juden ins Meer zu werfen.
Professor, wer hat denn, wie Sie immer sagen, das ganze Schlamassel angefangen? Sie sind in ein Land eingewandert, das nicht leer war …
Das ist richtig. Aber es war ein Niemandsland.
Es war kein Staat, sagte Alfred und Moritz ergänzte:
Es war zu dieser Zeit britisches Mandatsgebiet, eine Folge des ersten Weltkriegs. Und vorher war es osmanisch. Es gab dort Araber, aber es gab auch Juden. Und alle wurden Palästinenser, auch die Einwanderer. Die Einwanderer haben sich das Land auch nicht einfach genommen. Die Effendis haben den Juden das Land verkauft. Und das haben sie gern getan. Sie wollten Geld verdienen.
Und warum weiß man das nicht?, fragte Zamira.
Ich kenne kein Land, das eine so dilettantische PR hat wie Israel, erklärte ihr Moritz, außerdem würden es die Leute nicht glauben wollen.
Und was geschah denn nach der berühmten naqba, hn?, sagte Alfred.
Warum wurden denn die Flüchtlinge als Flüchtlinge erhalten und missbraucht? Warum heißen denn Städte wie Jenin heute noch »Flüchtlingslager«? Was haben denn Ihre arabischen Brüder getan für Sie? Warum hat Jordanien die Menschen nicht aufgenommen?
Es ging um das Rückkehrrecht.
Das Rückkehrrecht, interessant, sagte Alfred, was ist mit den Hunderttausenden von Juden, die in Kairo, Bagdad oder Damaskus lebten, die über Nacht fliehen und alles zurücklassen mussten? Das Rückkehrrecht! Sechshunderttausend Palästinenser sind geflohen, fünf Millionen wollen zurück. Klar, es ist am Strand von Tel Aviv schöner als in Ramallah.
Und Moritz sagte:
Da könnten Ihre Leute jetzt sitzen, wenn sie dem Teilungsplan zugestimmt hätten. Die Palästinenser haben ein großartiges Geschick, gute Chancen auszulassen!
Und Alfred sagte:
Die Israelis haben Gaza zurückgegeben, aber was hat die Hamas daraus gemacht? Einen iranischen Gottesstaat mit Raketenabschussbasen! Respekt!
Moritz wollte die Situation etwas entspannen und fragte Zamira:
Was mich wundert, wenn ich das sagen darf, Sie haben applaudiert nach meiner Rede. Warum haben Sie das getan, wenn Sie nicht damit einverstanden waren? Sie hätten pfeifen sollen!
Ich war stolz auf Sie.
Alfred wurde laut.
Stolz! Was soll das denn? Wieso sind Sie stolz, wenn er einen Preis bekommt?
Sind Sie nicht stolz?, fragte sie zurück.
Warum soll ich stolz sein, wenn einer aus meiner Klasse eine gute Note schreibt?, konterte er.
Weil er Ihr Bruder ist, sagte Zamira.
Ich freue mich für ihn, aber ich bin nicht stolz, meinte Alfred.
Moritz grinste verschmitzt und bemerkte dann:
Aber er erwähnt immer die einhundertdreißig Nobelpreisträger, die Juden sind. Wenn das kein Stolz ist? Was ist schlimm daran, auf etwas stolz zu sein?
Alle Kriege verdanken wir dem Stolz, sagte Alfred und schwieg dann, bis sie zu Hause waren.
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16
Zamira war überrascht, als Moritz die Garagentür öffnete, das Tageslicht in den dunklen Raum fiel und sie diesen wunderschönen Mercedes erblickte. Es war ein Oldtimer, ein schwarzes 280 SE Coupé aus dem Jahr 1970 .
Wow!, rief sie.
Meine Frau hat ihn geliebt, gepflegt und gefahren. Ich bin kein leidenschaftlicher Chauffeur. Und seit sie tot ist, habe ich ihn nicht mehr bewegt.
Ist das schade.
Haben Sie einen Führerschein?
Klar.
Man muss ihn nur auf Vordermann bringen. Es gibt ja kein verbleites Super mehr, man braucht einen Filter oder so was. Dann muss er zum TÜV . Ist mir alles zu viel.
Lässt sich doch machen, sagte sie.
Sie fragte ihn, ob sie sich einmal in den Wagen setzen dürfte, und er öffnete ihr wortlos die Fahrertür. Sie setzte sich hinter das Lenkrad und bestaunte ehrfürchtig das Armaturenbrett. Fast zärtlich berührte sie Hebel und Knöpfe. Der Wagen roch angenehm nach Leder.
Sie haben recht. Man sollte ihn wirklich wieder flottmachen, sagte er. Wir reden mit Alfred.
Ja, herein, hörte man leise.
Alfred saß an seinem Schreibtisch, hatte das Gesicht in den Händen vergraben, als Zamira, gefolgt von Moritz, ins Zimmer kam.
Herr Klee?
Freddy, was ist los?
Alfred lehnte sich zurück, legte die Hände in den Nacken, sah an die Decke.
Kann ich dir helfen?, Moritz ließ sich nicht beirren.
Mir kann keiner helfen. Lasst mich in Ruhe. Alle beide.
Moritz verließ das Zimmer seines
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