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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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kannte. Ich war nicht mehr Professor Moritz Kleefeld, ich war einfach ich. Als sie sich gegen Mittag heimlich aus dem Haus stahl, hatte ich ihr vorher meine Visitenkarte in die Hand gedrückt, ihr versichert, dass ich ohne sie nicht mehr sein könnte, und sie gebeten, mich in der Uni anzurufen, sobald sie eine Möglichkeit sah, nach San Francisco zu kommen, damit wir uns treffen könnten. Sie sagte es zu. Noch einmal küssten wir uns voller Inbrunst, es tat weh, voneinander zu lassen. Dann ging sie den Flur entlang, drehte sich an der Treppe noch einmal um und ich bemerkte die Tränen in ihren Augen.
    Und, wie ging es weiter?, fragte Alfred. So offen hatte er seinen Bruder selten erlebt.
    Ich duschte mich nicht, war wie in Trance. Ich roch ihren Duft, ich spürte sie noch lange auf der Fahrt nach Oakland. Ich saß im Fond des Wagens, zwischen dem Dekan und einem Kollegen und war in Gedanken an Allison versunken.
    Ich stellte mir vor, wie ich Fanny irgendwann die Wahrheit sagen, mich von ihr trennen und ein neues Leben beginnen würde. Ich sah es vor mir, das kleine Haus am Meer, hörte die Möwen schreien. Die geliebte Frau lag am Strand und ich beugte mich über sie …
    Und, Morris, wie war deine Nacht?, riss mich Bob, der den Wagen fuhr, aus meinen Gedanken.
    Was sollte diese Frage? Diese Stunden sollten nur mir gehören. Ich wollte das Geheimnis für mich behalten und sagte nur kurz:
    Okay.
    Komm, sagte ein anderer, erzähl doch mal! Habt ihr’s getrieben?
    Getrieben!, dachte ich, für diese Idioten war das nur eine Nummer, aber für mich war es die schmerzlich schönste Offenbarung einer innigen, wahrhaftigen, überwältigenden Liebe, die wie ein Sturm über mich gekommen war. Zwei Menschen hatten sich im Chaos des Lebens gefunden, zwei Menschen, die sich nicht kannten und doch ewig nacheinander verzehrt hatten. Die Cantos von Pound kamen mir in den Sinn: »Du kamst aus einer Nacht und Blumen waren in deinen Händen. Ich, der dich sah, in einem Meer von Menschen ringsumher, hoffte dass ich dich wiederfände, allein!«
    Es … war … okay. Kapiert?, sagte ich noch mal in einem Ton, der alle Diskussion unterbinden sollte.
    Es ist also was gelaufen, ließ Bob nicht locker.
    Die anderen grinsten.
    Ja, sagte ich schließlich leise.
    Es war furchtbar. Es war mir unangenehm. Es fühlte sich an wie Verrat.
    Gut, mein Freund, hörte ich Bob lachend sagen, dann kriege ich fünfhundert Dollar von dir. So viel habe ich der Kleinen gezahlt, damit sie dich mal ordentlich rannimmt!
    Während alle im Auto brüllten vor Lachen, dachte ich wieder an Hiob! Nur dass ich der Prüfung nicht standgehalten hatte.
    Moritz schwieg jetzt.
    Und, wie ging es aus?
    Es ging nie aus, für mich geht es bis heute weiter, sagte Moritz. Ich habe sie nie vergessen. Es hat natürlich auch mein Verhältnis zu Fanny verändert.
    Hatte sie einen Verdacht?
    Das weiß man bei Frauen nie, meinte Moritz, jedenfalls ließ sie es mich nie spüren. Im Gegenteil. Etwa ein Jahr später kam sie auf die Idee, nach Big Sur zu fahren! Na, stell dir vor. Ich war wie elektrisiert und fragte, was willst du da, um Himmels willen? Ich will den Ort kennenlernen, wo Huxley lebte und Henry Miller. Das klang überzeugend und so fuhren wir hin. Unterwegs schaute ich im Vorbeifahren zu jedem Diner und jeder Tankstelle und natürlich zu Parkplätzen vor Supermärkten. Ich war plötzlich sicher, sie zu sehen. Irgendwann wurde ich mutiger, sogar fatalistisch, denn ich schlug Fanny vor, ihr das Haus von Bob zu zeigen. Ich war mit einem Mal davon überzeugt, dass Allison im Garten säße und auf mich wartete. Sie würde sich erheben, auf mich zugehen, mich in ihre Arme nehmen und sagen: Geliebter! Endlich! Jeden Tag war ich hier und habe auf dich gewartet!
    Fanny würde alles verstehen, weise lächeln und verschwinden wie ein Geist. Allison und ich würden ans Meer gehen. Auf dem Weg dorthin hätte sich der Irrtum aufgeklärt. Sie war gar kein Callgirl. Bob hatte sich nur einen Spaß gemacht. Jetzt konnten wir darüber lachen. Später lagen wir am Strand und liebten uns wie beim ersten Mal.
    Alfred erhob sich und sah zu seinem Bruder.
    Eine schreckliche Geschichte, sagte er.
    Welche, meinte Moritz, Hiobs oder meine?
    Deine, sagte Alfred, denn bei Hiob ist es ja gut ausgegangen. War es nicht dein geliebter Adorno, der gesagt hat, es gibt kein richtiges Leben im falschen.
    Moritz setzte seine Lesebrille auf und nahm sein Buch.
    Ich bereue nichts in meinem Leben …, sagte

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