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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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Platz schaffen, als sie das alte Rathaus in Besitz nahmen, und haben die Unterlagen aus dem Fenster geworfen.
    Sonderbar, dachte Alfred, ausgerechnet die Amerikaner, die in allen Ecken des zerschlagenen Deutschen Reiches nach Naziverbrechern suchten, sollen Akten vernichtet haben? Und das auch noch ein paar Kilometer entfernt von Nürnberg?
    Glauben Sie das wirklich?, fragte er den Bürgermeister.
    Ich muss es glauben. Und von daher, so erläuterte er weiter, konnte man sich nur auf die eidesstattlichen Versicherungen verlassen, die die Käufer der sogenannten »Judenhäuser« abgaben und in denen sie bestätigten, dass sie ihren Besitz rechtmäßig und zu einem marktüblichen Preis erworben hatten.
    Bevor Alfred antworten konnte, hatte ihn eine junge, blonde, freundliche Dame am Ärmel gezupft.
    Herr Kleefeld, meine Name ist Uschi Lederer, ich habe eben a wen’g g’lauscht. Wir wohnen in dem Haus, das wo Ihrem Urgroßvater Abraham Kleefeld gehört hat. Möchten Sie es mal anschauen?
    Sehr gern, ist es weit?
    Hier is fei nix weit, sagte sie lachend. Sie sind ja nachher im Museum, der Herr Bühler weiß, wo’s ist.
    Fein, Frau Lederer, dann bis später.
    Das Zirndorfer Heimatmuseum war ein großes, hochherrschaftliches Fachwerkhaus, sorgfältig restauriert und mit blauen Fensterläden versehen. Es fanden sich darin Ausstellungsstücke aus der ländlichen Spielwarenindustrie, dem Druckereiwesen und der bäuerlichen Welt. Im Mittelpunkt standen allerdings Waffen, Uniformen, Fahnen, Stiche und Darstellungen aus dem Dreißigjährigen Krieg. Zirndorf gehörte zu den Schauplätzen der blutigen Auseinandersetzung zwischen den Heerführern Wallenstein und Gustav Adolf von Schweden. In der obersten Etage fanden sich die Exponate aus dem jüdischen Leben in Zirndorf. Langsam gingen Moritz und Alfred durch die niedrigen Räume und besahen sich Fotos, Gebetbücher, Kultgegenstände, Karten, Textilien, Briefe, Dokumente einer untergegangenen Welt. Immer wieder stießen sie auf den Namen Kleefeld und entdeckten Fotos oder gemalte Porträts ihrer Verwandten. Die Leiterin des Museums sowie Herr Bühler waren bemüht, alle ihre Fragen, soweit sie es konnten, zu beantworten. Moritz, ganz Wissenschaftler, betrachtete die Ausstellung mit eher pragmatischer Distanz. Alfred hingegen war berührt bei dem Gedanken, dass die meisten dieser Gegenstände noch aus glücklichen, hoffnungsfrohen Zeiten stammten und ihre Eigentümer ihr entsetzliches Schicksal nicht ahnen konnten.
    Dann entdeckten die Brüder Kleefeld das Hochzeitsfoto von Louis und Baby Kleefeld und waren überrascht. Moritz las die Bildunterschrift und korrigierte:
    Unser Vater war nicht Direktor der Rothschild-Bank in Frankfurt, wie es hier steht. Er hat dort seine Ausbildung gemacht. Er war Direktor der Effekten- und Wechselbank.
    Danke, sagte die Museumsdirektorin, wir werden das korrigieren.
     
    Eine Stunde später, im Garten der Familie Lederer, saß man unter einer mächtigen Linde und sprach miteinander, aber die Stimmung war irgendwie belastet und Alfred war in seinen Gedanken immer bei Abraham Kleefeld, dem dieses stattliche Anwesen einmal gehört hatte.
    Frau Lederer hatte die Brüder vorher durch das Wohngebäude geführt und mit Stolz auf die kostspielige Restaurierung hingewiesen, die es erfahren hatte. Sie konnte sogar noch Möbelstücke benennen, die einmal Abraham Kleefeld gehört hatten. Ihr Mann und ihr etwa zwölfjähriger Sohn gesellten sich hinzu, als sie anschließend am Gartentisch Limonade anbot und ein paar Kekse. Moritz war zufrieden, ein wenig entspannen zu können. Frau Lederer hatte den Brüdern eine alte Urkunde in Kurrentschrift vorgelegt, in der Abraham diesen Besitz im Jahr 1875 an seinen ältesten Sohn Gabriel überschrieb. Alfred bat darum, eine Kopie zu bekommen, und Frau Lederer sagte es zu. Da flüsterte der kleine Sohn plötzlich seinem Vater etwas ins Ohr, Herr Lederer wurde verlegen und zog seine Frau kurz zur Seite und sprach mit ihr. Allmächt’, hörte man sie flüstern.
    Sie hüstelte ein wenig, bevor sie zu den Kleefelds mit ernster Stimme sagte:
    Also, mein Sohn hat gefragt, können uns die Männer das Haus wieder abnehmen?
    Alfred hielt den Atem an. Was würde jetzt passieren?
    Moritz, der mit halb geschlossen Lidern zugehört hatte, schaute den Jungen an und fragte dann:
    Wie heißt du?
    Thomas, sagte der Junge, aber Sie können mich Tommy nennen.
    Nein, Tommy, wir wollen euch das Haus nicht abnehmen. Deine Eltern haben es

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