Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
Vom Netzwerk:
Augen und sah zu Dierk hin, der die Hände nun im Schoß liegen hatte, zwischen den lang ausgestreckten Beinen. Er trug eine derbe grüne Kniebundhose, die ihm bald nicht mehr bis zu den Knien reichen würde, und keine Strümpfe mehr, seit sie seine auf den Wäscheberg geworfen hatte. Das Wetter war warm genug geworden.
    Daran, wie seine Schultern hingen und wie er auf den mit Kopfstein gepflasterten Boden starrte, sah sie, dass er Kummer hatte. Einen Moment zögerte sie, dann berührte sie kurz tröstend seine Hände. »Denkst du an deinen Onkel? Er wird schon kommen.«
    Doch der Junge schüttelte den Kopf. »Er ist ein wilder Mann. Meine Mutter hat das immer gesagt, und sie hatte recht. Onkel Curd macht immer solche Sachen. Manchmal vergisst er andere Leute.«
    »Ist er der Bruder deiner Mutter?«
    »Nein. Von meinem Vater. Meine Mutter sagte, der war auch so, bevor sie ihn geheiratet hat, aber danach nicht mehr. Tot ist er trotzdem. Schon lange.«
    »Und deine Mutter? Was ist mit der?«, erkundigte sich Ada. Dierk schwieg, blickte nur wieder verloren in die Ferne. »Musst es mir nicht erzählen«, fügte sie schnell hinzu.
    Schweigend beobachteten sie beide, wie eine graue Singdrossel vor dem kahlen Blumenbeet an der rückwärtigen Hauswand eine Schnecke fand und versuchte, deren Gehäuse auf den Pflastersteinen zu knacken.
    Dierk seufzte tief. »Was soll ich denn machen, wenn er nicht kommt?«
    Nun hätte Ada ihm gern etwas Tröstliches gesagt, aber sie quälte sich mit derselben Frage. Was soll ich machen, wenn … Eine Frau ohne Vermögen war allein noch weniger sicher als ein elfjähriger Junge. Andererseits half ihm vielleicht schon die Hoffnung, nicht einsam sein zu müssen. Sie sah ihm in die Augen. »Wenn es nach mir geht, kannst du bei mir bleiben, bis du deinem Onkel wieder einfällst. Aber ich kann vielleicht nicht darüber bestimmen. Was möchtest du denn tun?«
    Er wandte sich ihr zu, eine von seinen golden schimmernden Locken hing ihm ins Gesicht, und seine grünen Augen wurden groß. »Er hat versprochen, dass er kommt. Vielleicht ist ihm was passiert? Kann man das nicht herausfinden? Ich meine … Ich würde schon bleiben, aber … Ihr wisst ja selbst nicht, was mit Euch wird, oder?«
    Ada nickte. Der Junge wusste so gut wie sie, dass sie beide zu denen gehörten, über die verfügt wurde. Im Zweifelsfall hatten sie keine Macht. »Wir können auf jeden Fall Eilert und Knütter bitten, sich umzuhören, wo Kaufmann Knoop geblieben ist und ob der etwas weiß. Und sie könnten beim Hospiz herumfragen, denn dahin hat dein Onkel Euren toten Bekannten vielleicht gebracht.«
    »Knoop wird wütend gewesen sein wie eine Wespe im Glas. Dabei wäre sein ganzer Kram weg gewesen, wenn Onkel Curd und Hans nicht die Räuber verjagt hätten. Das war ein Ding. Ich dachte, wir sterben alle.«
    Ada tätschelte ihm den Rücken. »Ich auch.«
    Dierk lächelte sie an und hielt ihr die Hand hin. »Ihr helft mir, und ich helfe Euch.«
    Sie lächelte zurück und schlug ein. »So machen wir’s.«
    Lenz betrachtete die Gesichter der Männer, die auf seine Entscheidung warteten. Lobekes breites Gesicht zeigte kein Gefühl. Seine Augen waren blauer als die Augen seiner Tochter, und im Gegensatz zu diesen eiskalt.
    Stechinelli zeigte seine Aufregung deutlicher. Hatte Lenz ihn zuvor mit einem Terrier verglichen, kam ihm das jetzt zu freundlich vor. ›Bedrohte Ratte‹ passte eher zu seinem spitzen, vertrockneten Gesicht und zu dem schlechten Geruch, der im Raum hing.
    Der Einzige, von dem Lenz sich so schnell keine Meinung bilden konnte, war der pferdegesichtige Märtens. Ein ausnehmend steifer junger Mann, der offenbar gelernt hatte, Gefühle zu verbergen. Falls er welche hatte – ganz sicher konnte man da nicht sein.
    Lenz hatte seine Entscheidung eigentlich längst gefällt. Schon allein Christopher zuliebe, der ihn besorgt von der Seite ansah, würde er Ada nicht bedenkenlos hier zurücklassen. Sein Ehrgefühl erforderte es jedoch, dass er das Mädchen noch einmal zum Nachdenken brachte. »Herr Märtens – ich sehe ein, dass ich Euch Eure älteren Rechte streitig gemacht habe und Ihr glauben müsst, ich hätte Ada überrumpelt. Daher bin ich bereit, Euch die Gelegenheit zu geben, dies zu überprüfen. Ihr sollt unter vier Augen mit ihr sprechen und Eure Ansicht zu der Sache darlegen. Sollte sie danach ihre Meinung geändert haben und bei Euch bleiben wollen, werde ich versuchen, meine Ehe mit ihr mittels rechtlicher

Weitere Kostenlose Bücher