Herrscherin des Lichts
seine nackte Brust gleiten. Das ätherische Weiß ihrer Haut ließ seine eigene im Vergleich derb und um so vieles sterblicher wirken, doch während er zusah, wie sie ihn streichelte, fing das Weiß langsam an, sich einzutrüben und immer dunkler zu werden, bis ihre Hände sich in tiefschwarze, schuppige Klauen verwandelt hatten.
Panik ergriff ihn. Fassungslos starrte er in ihr Gesicht, das eben noch so fein und blass gewesen war, jetzt aber, genau wie ihre Hände, seine Farbe veränderte. Das Einzige, das an ihr noch hell leuchtete, waren ihre rot glühenden Augen.
Schockiert beobachtete er die Verwandlung. Diese Kreatur war nicht sie. Der Schrecken, der das Blut in seinen Adern zu Eis gefrieren ließ, hatte nichts mit seiner Angst vor dem widerlichen Ding zu tun, das ihn umklammert hielt, es war seine Reaktion, die ihn erschreckte. Als er erkannte, dass das Wesen in seinen Armen nicht die Elfe war, fiel ihm sein ursprüngliches Vorhaben wieder ein, und er musste sich eingestehen, auf ganzer Linie versagt zu haben. Und dass es besser wäre, hier zu sterben, bevor er eines Tages das echte Ziel seiner Aggression aufspürte.
Denn wenn er sie fand, würde er sie nicht töten. Es war kein Hass, der ihn dazu getrieben hatte, sie zu verfolgen.
Die Bestie öffnete ihr Maul, um ihre geifertropfenden Zähne zu fletschen, und das war das Letzte, das Malachi sah.
Der Himmel. Ayla hatte nie mehr von ihm gesehen als das, was man mit flüchtigen, kurzen Blicken durch das Metalltor erhaschen konnte, welches das Refugium von der Oberwelt abschottete. Aber sie wusste sofort, was es war, auch ohne die silberglänzenden Stangen davor.
Sie schaute zum Himmel hinauf, ein Blau, so hell und klar, dass die Farbe kaum von dem glänzenden Licht zu unterscheidenwar, das sie durchdrang. Weiße Wolkenfäden schwebten hoch oben, getragen von einer leichten Brise, die Ayla nicht spüren konnte.
War sie gestorben? War dies das Sommerland?
Nein, das Sommerland gab es schon lange nicht mehr. Nachdem der Wall zerstört worden war, hatte es sich, den Geschichten zufolge, aufgelöst. Die Blätter waren von den Bäumen gefallen, der Weizen auf den ausgedehnten Feldern verdorrt und das Wasser der Flüsse bis auf den letzten Tropfen von der toten Erde aufgesaugt worden, ohne dass es einen Weg gegeben hätte, all diese Schönheit jemals wiederherzustellen. Es war zu der Wüste geworden, die es noch immer war und in die niemand, nicht einmal die Geschöpfe der Oberwelt, auch nur einen Fuß setzte.
Sie erinnerte sich, wie sie in den Laden der Heilerin gestürzt war. Doch was hatte sich danach zugetragen? Wie war sie hierhergekommen?
Der freundliche blaue Himmel hatte darauf auch keine Antworten. Sie konnte es doch unmöglich in die Oberwelt geschafft haben. Selbst wenn sie unbemerkt an den Wachen der Lightworld vorbeigekommen wäre, irgendjemand hätte sie doch inzwischen entdecken müssen. Wo befand sich dieser Himmel nur?
„Du bist auf dem Streifen“, sagte eine sanfte menschliche Stimme, deren Besitzer erstaunlich gut die Elfensprache beherrschte.
Doch egal, wie passabel seine Aussprache war, Ayla konnte den Klang trotzdem nur schwer ertragen. „Sprich nicht elfisch mit mir. Ich verstehe deine Menschenworte.“
„Wie du möchtest.“ Eine wettergegerbte Hand erschien plötzlich in ihrem Sichtfeld und legte sich auf ihre Stirn. „Was ist dir zugestoßen, dass du so dringend meine Hilfe brauchst?“
Ayla neigte den Kopf zur Seite und schob ihre Haare fort, um das Zeichen der Gilde freizulegen, das in ihre Haut eintätowiertwar und vom Kiefer bis zum Schlüsselbein reichte. Die Frau neben ihr war die Heilerin, die sie beim Hereinkommen gesehen hatte, ihre sterbliche Haut runzelig, die weißen Haare kurz geschnitten.
Ihre Brauen hoben sich über den freundlichen Augen, traurig und wässrig braun in ihren von feinen Fältchen durchzogenen Höhlen. „Ich verstehe nicht.“
„Ich bin eine Assassine.“ Die Menschensprache fühlte sich seltsam auf ihrer Zunge an. Sie hatte sie nicht mehr gebraucht seit …
Die Frau nickte wissend und streichelte tröstend mit zwei Fingern über Aylas Wange. „Denk jetzt nicht daran. Schmerzvolle Erinnerungen verursachen nichts als noch mehr Schmerz.“
Es hätte sie beunruhigen müssen, dass diese Frau offenbar ihre Gedanken hören konnte, so klar und deutlich wie gesprochene Worte. Anstatt sich darüber zu sorgen, blickte sie abermals zum Himmel empor. „Er ist wunderschön.“
„Du weißt, es ist nur
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