Herz des Himmels (German Edition)

gesehen hatten. Sie erzählte von den Tao Geschwistern, wie sie beide kennenlernte und davon, dass sie aus unerklärlichen Grund in Shays Geist geblickt hatte und ihr Heilzauber daraufhin fehlgeschlagen war. Er hörte aufmerksam zu, doch seine Augen spiegelten Sorge und Widerwillen.
    „Es beunruhigt mich ein bisschen, dass deine Fähigkeiten als Claimer sich so rapide verbessern. Ich meine, die Gefühle von anderen wie Schwingungen aufnehmen zu können, ist für den Geist schon anstrengend genug, wenn man ungelernt darin ist. Dass du in Shays Erinnerungsvermögen sehen konntest, weil Gefühle dich dort hingeleitet haben, ist auf gefährliche Weise beeindruckend.“
    „Ich wusste nicht, dass ich es kann und es passierte gegen meinen Willen“, antwortete Kaithlyn. „Woher sollte ich wissen, dass es mir schadet?“
    „Ich habe eine Theorie dazu“, begann Fye nachdenklich.
    „Claimen ist ähnlich wie Magie benutzten. In kleinen Mengen macht es nichts aus, diese Fähigkeit zu gebrauchen, vor allem da du es ganz unterbewusst tust. Wahrscheinlich sogar ununterbrochen weißt, wie sich dein Gegenüber fühlt. So kannst du bis zu einer bestimmten Grenze diese Fähigkeit also einsetzen, ohne Energie darauf zu verschwenden. Es ist einfach und selbstverständlich das zu können, das ist Empathie. Das Claimen geht darüber hinaus, du spürst die Emotionen, doch alles was unerwartet darüber hinausgeht raubt dir Kraft. Dieses Mal warst du unvorbereitet und es kam heftig wie ein Schlag zu dir zurück, deshalb wurden all deine Reserven aufgebraucht, wie eine Batterie, die sich mit einem Schlag vollständig entladen hat. Ich denke, dass dieser Geistesblick die größte Kraft aufbraucht, denn wenn über die Schutzmauer des Geistes blicken will, ist das fast unmöglich. Niemand lässt dies zu, auch Menschen, die sich leicht manipulieren lassen, durch Worte oder andere Umstände, haben einen starken Geist. Das ist die innere Stärke“, sagte Fye und streifte sich das strubbelige Haar aus dem Gesicht. Er faltete angespannt die Hände ineinander. „Du musst also lernen damit umzugehen, die Kontrolle zu behalten und nicht in der Gegenwart eines geöffneten Geistes unterbewusst zu claimen.“
    „Gibt es dafür eine Methode? Wie lernt man das?“, fragte Kaithlyn und erwiderte Fyes durchdringenden Blick. Er musste nicht erst antworten. Es gab keine. „Gibt es viele Menschen, die dazu in der Lage sind?“, fragte sie beklommen.
    „Mein Vater konnte es. Er hat schon immer gewusst, dass Kale eines Tages zu den Dierraidern übersiedelt und kurz davor stand, aber diese Gewissheit war ein so großer Schmerz, dass ihm diese Gabe verloren ging“, sagte Fye. „Das hätte ich dir früher sagen müssen. Entschuldige.“
    „Man kann die Gabe wieder verlieren?“
    „Denk einmal darüber nach. Was würde wohl mit deinem eigenen Geist geschehen, wenn du ständig Sorgen, Angst oder Hass fühlen würdest. Diese Gefühle, die dir nicht gehören, noch dazu so stark sind, dass sie dich überwältigen? Der Druck würde dich zerbrechen. Du darfst das niemals missbrauchen oder erzwingen, verstehst du?“
    „Ich verstehe.“ Kaithlyn konzentrierte sich darauf, in ihr Innerstes zu blicken und versuchte um ihre Gefühle eine Mauer zu legen. Einen Schutzwall.
    „Denk zuerst an dich selber. Hüte deine Seele vor Eindringlingen.“
    Kaithlyn wiederholte die Worte immer und immer wieder vor ihrem geistigen Auge. Denk zuerst an dich selber. Hüte deine Seele vor Eindringlingen.
    „Und die Sache mit dem Heilzauber?“
    „Das liegt daran, dass deine Kräfte noch nicht vollständig stabil sind. Du hast noch eine Menge zu lernen und das, was du bisher geleistet hast, war unglaublich, aber dafür braucht man ein bisschen mehr als nur Talent. In diesem Sinne ist die Mercudimagie schwieriger zu lernen, weil sie nicht wie die Whyburnmagie elementar veranlagt ist. Manche widmen sich ein ganzes Leben den Heilzaubern, ohne sie ganz zu beherrschen. Es steckt mehr hinter der Mercudimagie, als Sprüche und Bücher.“
    „Das verstehe ich“, sagte Kaithlyn und lächelte erleichtert.
    „Kann ich dich noch etwas fragen?“ Fye nickte aufmunternd. „Was hältst du von der Tao Familie? Glaubst du sie sind gefährlich oder das ich mich von ihnen fernhalten sollte?“
    „Du meinst, wenn ich das ganze drumherum einmal vergesse? Die Fehde, die immer wieder gegen sie spricht? Ich glaube, wenn du es rein menschlich betrachtest, dann hast du Antwort bereits