Herz des Winters (German Edition)
oder vielleicht sogar nach hinten losging.
Doch so oder so war es pure Spekulation. Genauso gut konnte dem unbekannten Feind das Glück hold sein und er entfachte ein Inferno, über das er selbst keine Kontrolle haben konnte.
Berekh hasste es, vom Glück abhängig zu sein.
***
Daena riss erschrocken die Augen auf. Sie hatte es nicht bemerkt, doch die schlaflose Nacht zusammen mit den Anstrengungen der Reise und des Trainings musste ihren Tribut gefordert haben. Sie hatte sich nur kurz in ihrem Zimmer ausruhen wollen und war dabei eingeschlafen.
Jetzt war sie von undurchdringlicher Dunkelheit umgeben.
Sie fühlte das Gewicht der steinernen Wände, als würden sie direkt auf ihre Brust drücken. Ihre Finger tasteten blind nach Kerzen, Lampen, Zunder, aber fanden nichts davon. Die Angst schnürte ihre Kehle zu, jeder Atemzug wurde keuchend eingesogen und lieferte dennoch nicht genügend Luft. Sie musste hinaus, raus aus diesem Raum. Auf dem Gang gab es Licht.
Wenn sie nur wüsste, in welcher Richtung die Tür lag.
Sie drehte sich um und krachte auf den Felsboden. Glühende Dolche stachen in ihre linke Hand, mit der sie den Sturz abzufangen versucht hatte. Doch der Schmerz war gut, er half ihr, sich zu konzentrieren. Schmerz kannte sie, damit konnte sie umgehen.
Von ihrer neuen Position auf dem Boden aus sah sie einen schwachen Schimmer. Das musste der Türspalt sein! Auf den Knien kroch sie auf den Lichtschein zu, bis sie sich an der Tür hoch tasten konnte. Die keine Klinke besaß.
Mit einem Mal konnte sie die anderen Gefangenen hinter sich hören, roch den Gestank von Schmutz, Schweiß, Fäkalien und Blut. Sie hörte den vielmündigen Atem, das leise Rascheln, wenn sich einer von ihnen in dem unruhigen Schlaf regte, der alles war, was sie hier unten an Erholung fanden.
Sie hatte geträumt von Freiheit, Sonne, Freundschaft, bloß um in der grausamen Realität zu erwachen. Nur im Traum war eine Flucht aus den Minen möglich, sie würde hier unten verrecken, wie alle anderen auch.
Bevor sie ihn unterdrücken konnte, presste sich ein Aufschrei aus ihrer Brust. Sie konnte es nicht verhindern, heulte ihre Verzweiflung hinaus wie ein waidwundes Tier. Draußen konnte sie Schritte hören. Sollten sie nur kommen, sie hier und jetzt erschlagen. Der Gedanke an ein rasches Ende war beinahe tröstlich.
Schon wurde die Tür aufgerissen. Ihrer Stütze beraubt, stürzte Daena zu Boden. Sie wartete auf den ersten Schlag, doch der kam nicht.
Es dauerte noch eine Weile, bis sie ihren eigenen Namen erkannte, der immer wieder gerufen wurde, und noch länger, ehe sie ihren Mut zusammennehmen und die Augen öffnen konnte.
Um sie herum standen Männer, doch es waren keine Minenwächter. Bald würde sie vor Scham vergehen. Jetzt aber rannen Tränen der Erleichterung ungehindert über ihre Wangen, sehr zur Verwirrung ihrer Retter. Sikaîl ließ langsam das Schwert sinken, das er gezogen hatte, und andere folgten seinem Beispiel.
Hier gab es keine Gegner, die sich mit Waffen bezwingen ließen.
Nur Berekh hielt sein magisches Licht weiter über sie. Die ausdruckslose Maske, in die er sein Gesicht verwandelt hatte, wurde lediglich durch die Trauer in seinen Augen betrogen.
***
Niemand hatte von Daena eine Erklärung für ihr merkwürdiges Gebaren verlangt, und sie war dankbar dafür. Ebenso für Berekhs Lichtkugel, die immer noch träge unter der Decke ihres Zimmers schwebte.
Sikaîl musste den Ursprung ihrer Panikattacke zumindest erahnen, immerhin kannte er Bruchstücke ihrer Vergangenheit. Sie zweifelte auch nicht daran, dass Berekh wusste, was sie gequält hatte. Die Gedanken der anderen konnte sie dagegen nur erraten.
Vermutlich hielten die sie für ein hysterisches Frauenzimmer, das einem Albtraum erlegen war. Keine idealen Voraussetzungen für Kampfgefährten, aber solange sie ihre Fähigkeiten nicht in Frage stellten, war es nur ihr Stolz, der darunter litt.
Und an ihrer Erfahrung und ihrem Können ließ sie keinen Zweifel aufkommen.
Training für Training erklärte sie die richtige Handhabung der großteils improvisierten Waffen. Auch ein Besenstiel konnte tödlich sein, wenn man ihn einzusetzen wusste. Man musste die Stärken und Schwächen der Waffe ebenso kennen wie die eigenen und die des Gegners.
Daena versuchte der beständig wachsenden Gruppe einzuschärfen, wie sie verhindern konnten, dass ihre Waffe beschädigt oder gegen sie gewandt wurde, und wo sie die Echsen treffen mussten, um Schaden anrichten zu
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