Herz des Winters (German Edition)
Bartstoppeln bedeckt, seine Augen waren von tiefen Ringen umgeben und hatten einen fiebrigen Glanz, den sie selbst von ihrer Position aus sehen konnte.
„Also?“ Siks Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihr.
„Hm?“, gab sie zerstreut zurück.
„Was zwischen dir und diesem … Kerl ist.“
Das holte sie aus ihren Gedanken. „Nichts ist“, antwortete sie giftig. „Was sollte deiner Meinung nach sein?“
„Du hast immer viel Zeit mit ihm verbracht“, meinte Sikaîl missbilligend. Er ließ es klingen, als hätte sie damit gegen jede Moral verstoßen.
„Wir sind zusammen gereist!“ Allmählich wurde sie dieser Unterhaltung überdrüssig. „Ich habe ihn seit Tagen nicht einmal gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen.“
„Und was denkst du, wo er diese Tage verbracht hat?“
Jedenfalls nicht in den Luxuszelten der Arkanen , dachte sie bissig. Irgendetwas in Sikaîls Stimme machte jedoch deutlich, dass seine Abneigung dem Magier gegenüber eine neue Dimension erreicht hatte, und das machte sie stutzig.
„Worauf willst du eigentlich hinaus?“
Der Sare sah sich übertrieben in dem leeren Raum um, als könnten unsichtbare Feinde ihn belauschen. Mit verschwörerischer Miene beugte er sich zu ihr und flüsterte: „Er ist der Schlächter!“
Sie hätte irgendetwas sagen sollen, realisierte sie zu spät. Er bemerkte die fehlende Überraschung in ihrem Gesicht und das seine verzerrte sich zu einer Fratze der Abscheu.
„Du hast es gewusst!“, zischte er. Von dem großen Bruder war nichts mehr in ihm zu finden. „Und trotzdem warst du an seiner Seite. Du hast ihn hergebracht!“ Je weiter Sikaîl diesen Gedanken spann, umso mehr verlor er die Fassung. Er schlug die Hände an die Stirn. „Er wird uns alle umbringen!“
Daena hatte Berekhs Bestehen auf das Verschweigen seiner Identität für überflüssig gehalten, doch die extreme Reaktion des Kämpfers belehrte sie eines besseren. Sie fragte sich, was in aller Welt Berekh dort unten angerichtet haben mochte, um den Schrecken über Generationen hinweg derart lebendig zu halten.
Aber was es auch sein mochte, eines wusste sie mit Sicherheit: Hier und jetzt war es nicht der Schlächter, den zu fürchten mussten. Sie wollte die Vergangenheit ruhen lassen, wenigstens solange sie nicht einmal sicher sein konnten, ob sie überhaupt noch eine Zukunft hatten.
„Das alles war vor deiner oder meiner Zeit, Sikaîl. Berekh ist nicht der Feind. Du kennst ihn nicht.“
„Aber du weißt alles, nicht wahr?“ Der Hass, mit dem er ihr die Worte nahezu ins Gesicht spuckte, ließ sie zurückschrecken. „Kraja hat mich vor dir gewarnt, aber ich wollte ja nicht hören.“
Dieser Hieb traf sie gänzlich unerwartet. „Kraja?!“
Nun, es erklärte zumindest, weshalb sein Interesse an ihr so plötzlich abgeflaut war – er hatte ein lohnenderes Objekt der Begierde gefunden. Sikaîl hatte schon immer danach gestrebt, starke Frauen zu erobern. Zumindest, wenn es ihm nicht um ernsthafte Beziehungen ging. Erst jetzt erkannte Daena das Geltungsbedürfnis darin – die Sucht danach, der Stärkere zu sein, sich selbst den eigenen Wert zu beweisen. Innerlich atmete sie erleichtert auf, seinem Drängen während der Reise nicht nachgegeben zu haben. Dass er aber dafür nicht nur seine Abscheu vor dem Unnatürlichen beiseite gestellt hatte, sondern sich auch noch mit der schlimmsten Sorte an Magiern eingelassen hatte, passte nicht recht zu ihm.
„Du verurteilst einen Zauberer aufgrund der Dinge, die dir eine Nekromantin erzählt?“ Und weshalb sollte sich die Schwarzmagierin gegen ihren eigenen Liebhaber wenden und Berekh verraten? Irgendetwas musste ihr entgangen sein.
„Immerhin erzählt sie mir diese Dinge, im Gegensatz zu dir!“
Es war nicht nur der Schock über den bitteren Zorn in seinen Augen, der sie stumm bleiben ließ. Was hätte sie darauf schon sagen sollen? Dass sie ihm nicht genug getraut, nicht genug zugetraut hatte? Dass egal, was er ihr bedeutete, Berekh wichtiger war? Es waren Krajas Worte, die diese Wut in Sikaîl gepflanzt hatten, aber sie hatte sie auf fruchtbaren Boden gestreut, den Daena selbst gepflügt hatte.
Er wartete noch einen Moment lang auf eine Reaktion ihrerseits, doch vergebens.
Sie hielt ihn nicht zurück, als er hinausstürmte und sie mit den Scherben ihrer Freundschaft zurückließ.
***
Zeit-und ziellos lief Daena durch die Tunnel und Gänge, deren Schrecken schon lange für sie verblasst waren, bis sie sich in einem Bereich
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