Herz im Zwiespalt (German Edition)
erwartet hätte.«
Lizz beobachtete, wie George als Erster durch das schmale Tor ritt, gefolgt von den berittenen Douglas‘. Als ihr Wagen endlich im Innenhof zum Stehen kam, war bereits ein fröhliches Treiben im Gange. Dienstboten und Burgbewohner hießen die Neuankömmlinge überschwänglich willkommen. Sie schienen sich tatsächlich über die Heimkehr ihres Herrn zu freuen.
Mary war bereits ausgestiegen, um beim Abladen zu helfen. Niemand bemerkte Lizz und plötzlich fühlte sie sich so einsam wie nie zuvor in ihrem Leben. Während sie noch immer auf ihrem Wagen saß, musste sie mit ansehen, wie alle Leute im Innern der Burg verschwanden.
Die darauffolgende Stille schien ihr beinahe unerträglich. Tränen brannten in ihren Augen. George hätte nicht deutlicher zeigen können, wie wenig sie in seinem Heim willkommen war.
Lizz stieg aus dem Wagen und hob in einer Geste des Trotzes das Kinn. Niemals würde sie jemandem zeigen, wie sehr sie unter dieser Abweisung litt. Ihr Blick glitt sehnsüchtig zum Tor.
»Früher oder später würde er deine Abwesenheit bemerken und dir folgen«, erklang plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihr.
Lizz wandte sich Archibald Douglas zu und versuchte verzweifelt, die Tränen niederzukämpfen, als sie das Mitgefühl in seinen zinngrauen Augen sah. War er ihretwegen zurückgekehrt?
Sie bemühte sich tapfer um ein Lächeln. »Eher später, würde ich meinen. Mit etwas Glück wäre ich dann schon irgendwo in Frankreich oder Spanien.«
Archibald verfluchte im Stillen seinen gefühllosen Sohn.
»Er würde dich auch dort finden. George ist kein Mann, der sich kampflos von seinem Besitz trennen lässt.«
Diese Worte stachelten ihren Ärger an. »Ich bin kein elendes Möbelstück, auf das man Besitzansprüche erhebt. Auch wenn Euer Sohn das vielleicht glauben mag.«
»So ist es gut, Mädchen«, lobte er sie mit einem angedeuteten Lächeln. »Zorn weckt die Lebensgeister und verleiht die Kraft, auch ausweglosen Situationen mit hoch erhobenem Kopf zu begegnen.«
Lizz blickte verdutzt zu ihm auf. »Ihr habt mich absichtlich geärgert?«
Archibald hakte sich bei ihr unter. »Ist dir schon einmal aufgefallen, dass Zorn einen Menschen länger aufrecht erhält als Trost? Ich weiß, dass du kein Feigling bist, Mädchen. Also heb dein Kinn und wir begegnen deinen neuen Untertanen mit Stolz und Würde. Du wirst sehen, innerhalb kürzester Zeit wirst du die Herzen aller im Sturm erobern. Wir Douglas‘ sind nämlich gar nicht so übel, wie man uns gern nachsagt.«
Er legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Dieses Geheimnis behältst du aber besser für dich.«
Lizz lachte leise auf. Ihr Herz fühlte sich nicht mehr ganz so beklommen an und sie atmete tief durch. »Na dann, auf in den Kampf.«
»So gefällst du mir, Mädchen.«
Archibald führte Lizz die wenigen Stufen zur großen Halle hinauf und betrat den Saal an ihrer Seite. Im Inneren waren bereits Bänke aufgestellt und der Lärmpegel dröhnte beinahe unerträglich laut. Bier und Wein wurde den Neuankömmlingen vorgesetzt und bald bogen sich die Tische unter der Last der Speisen. Ihr Mann musste wohl einen Reiter vorausgeschickt haben, um seine Ankunft anzukündigen. Ihr Mann . .. wie seltsam unwirklich sich diese Worte anfühlten. Sie ließ den Blick durch den Saal wandern und entdeckte ihn beinahe augenblicklich. Kein Wunder, unter diesen Männern gab es zwar groß gewachsene Leute, doch George überragte sie alle mindestens um Haupteslänge. Auch seine muskulöse Gestalt hob sich deutlich von den anderen ab. Augenscheinlich gab er sich die größte Mühe, entspannt und gut gelaunt zu wirken, doch Lizz konnte er nicht täuschen. Er kochte innerlich vor Wut, als er sie in Begleitung seines Vaters erblickte. Dieser elende Mistkerl. Hatte er vielleicht geglaubt, sie würde die ganze Nacht im Hof warten, bis er sich endlich seiner Verpflichtung ihr gegenüber erinnerte? Instinktiv hob sie ihr Kinn noch ein wenig höher, als sich ihre Blicke begegneten.
In diesem Augenblick erhob Archibald Douglas die Stimme dicht neben ihr. »Seht her, was ich gefunden habe!«
Hundert Augenpaare richteten sich gleichzeitig auf Lizz und alle Anwesenden verstummten abrupt. Am liebsten hätte sie ihren Schwiegervater auf der Stelle erwürgt.
»George, mein Sohn, mir scheint, du hast etwas Wichtiges vergessen. Wollen wir hoffen, dass du bezüglich deiner anderen Verpflichtungen nicht ebenso nachlässig wirst.«
Leises Murmeln und Flüstern folgten
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