Herz in Gefahr (German Edition)
sich hoch, beugte sich weit über die Schiffswand und winkte Funbird, der mit den beiden Pferden am Ufer zurückgeblieben war, zu.
»Auf Wiedersehen, mein Freund!«, rief er. »Ich komme bald zurück – mit Sir Matthew Warthorpe!«
»Gott schütze dich, Robin« erwiderte Funbird, und seine laute Stimme wurde vom Rauschen des Meeres fast verschluckt. »Viel Glück und eine gute Reise!«
Erst jetzt bemerkte Robin, dass sich der Himmel in Minutenschnelle verfinstert hatte. Schwere dunkle Wolken jagten wie schwarze geflügelte Pferde über dem Meer dahin, der Wind, vor kurzem noch eine frische Brise, wuchs sich zum Sturm aus, der an den Segel zerrte und die Masten schaurig knarren ließ. Die See, eben noch von dunkelgrüner Farbe, wurde plötzlich tiefblau. Wellen kamen auf und donnerten gegen die Schiff s wand. Gischt spritzte hoch, verteilte sich in schaumigen Flocken auf den Planken. Eine halbe Stunde später hatte sich die Situation bereits dramatisch zugespitzt.
»Frauen und Kinder unter Deck!«, brüllte der Kapitän mit dröhnender Stimme und wies einen Matrosen an, dafür zu sorgen, dass sein Befehl ausgeführt wurde. Der Matrose lief hin und her und scheuchte die weiblichen Passagiere und die vor Angst weinenden Kinder wie die Hühner über das Schiffsdeck. In weiter Ferne hörte man ein Donnergrollen, das von Mal zu Mal näher kam. Die ersten Blitze zuckten gespenstisch und schwefelgelb über den Himmel. Es sah aus, als hätte Gott persönlich die Wolken auseinander gerissen und die Blitze auf die Menschheit hinab geschleudert. Immer höher schlugen die Wellen gegen die Bordwand. Auf den Schiffsplanken waren aus den Gischtspritzern kleine Pfützen geworden, die sich schnell vergrößerten. Das Meer tobte. Der Kapitän schrie neue Befehle für die Matrosen, doch seine Worte wurden vom Brüllen und Tosen der See verschluckt. »Holt die Segel ein!«, schrie er, doch niemand hörte ihn. Plötzlich prasselte ein Sturzregen vom Himmel, wie man ihn selten erlebt hatte. Aus den prallen Tropfen, die wie kleine, scharfe Geschosse auf die Schiffsplanken knallten, wurden Hagelkörner, so groß wie Hühnereier. Die Männer an Deck duckten sich und versuchten, sich vor den harten Hagelschlägen zu schützen.
»Holt die Segel ein, verdammt!«, brüllte der Kapitän. Er lief über das Deck, kämpfte gegen den Sturm an und eroberte sich mühsam jeden Schritt. Er nahm einen Matrosen am Arm und deutete verzweifelt auf die knatternden Segel. Endlich begriff der Mann. Zwei weitere kamen hinzu, kämpften sich zu den Masten durch. Doch das Großsegel hatte sich bereits mit Wasser vollgesogen und war so schwer geworden, dass es sich nicht mehr einholen ließ. Die Stricke brannten den Männern blutrote Striemen in die bloßen Hände. Der Mast knackte gefährlich. Wieder durchbrachen grelle Blitze die schwarzviolette Wolkendecke.
»Ich brauche alle Hände an Deck!«, schrie der Kapitän. »Holt die männlichen Passagiere hoch! Jeder muss mit anpacken!«
Ein Matrose, der in der Nähe stand, hörte den Ruf und eilte nach unten. Das Brüllen und Tosen des Meeres hatte zugenommen und dröhnte jedem einzelnen Unheil verkündend in den Ohren. Die Wellen, inzwischen meterhoch, begnügten sich nicht mehr damit, einzelne Tropfen auf die Schiffsplanken zu werfen. Sie schlugen über die Bordwand und überspülten das Deck. Das Schiff, die schwere, breite Kogge, tanzte auf den Wellen wie ein Spielzeug. Verzweifelt kämpfte der Steuermann, um die Princess of Ocean auf Kurs zu halten, doch vergeblich. Die Kogge neigte sich nach links, dann fuhr der Sturm in die nassen Segel und riss das Schiff nach rechts. Abermals überspülte eine Welle das Deck, Wasser drang in die unteren Laderäume. Immer tiefer sackte die Kogge ins Meer, wurde wieder herausgehoben, nach links und rechts geschleudert. Alle Männer kämpften verbissen. Einige schöpften mit Ledereimern das Wasser von den Schiffsplanken, um wenigeAugenblicke später erneut von einer Welle fast von den Füßen gerissen zu werden.
»Der Mast, der Mast!«, überschrie eine angsterfüllte Stimme plötzlich den tosenden Lärm. Die Männer sahen nach oben. Mit einem ohrenbetäubendem Krachen brach der Mast des Großsegels, als wäre er aus Zunder, und fiel nach links auf das Deck. Zu beiden Seiten stoben die Männer auseinander. Das schwere Segel landete im Wasser, sog sich mehr und immer mehr voll und brachte das Schiff in eine gefährliche Schräglage.
Die Küste lag immer noch in greifbarer
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