Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Party am See schwieriger, als ich erwartet hatte. Auf den Ansturm von Gefühlen hatte ich mich schon vorher gefasst gemacht. Ich betrat das Haus von Bethanys Familie und stellte die beiden mitgebrachten Flaschen Sprite ab. Aber als ich nach unten und auf den privaten Anlegesteg ging, erzählte Bethany gerade allen, sie sei jetzt mit Tristan zusammen.
Tristan hatte schon eine neue Freundin? Er war doch gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen! Wie konnte man sich denn mit zwei Gipsverbänden und lauter geklammerten und genähten Wunden verabreden?
Im ersten Moment konnte ich mich nicht mal rühren, ich blieb einfach wie angewurzelt in der Tür stehen. Die Wellen, die träge an den Steg schwappten, konnten mich weder beruhigen noch BethanysStimme übertönen. Sie plapperte vor sich hin, sie würde ihn dreimal die Woche zur Physiotherapie und an den anderen Tagen nach Hause fahren. Sie erzählte, wo sie gegessen hatten und wie tapfer er sich durch die Therapie kämpfte, weil er zur Footballsaison wieder fit sein wollte.
Hätte ich mittags etwas gegessen, hätte ich es mitten auf den Steg gespuckt.
Tristan war mit Bethany zusammen. Er hatte sich mit ihr nicht nur zu einem Ball verabredet, sondern traf sich ständig mit ihr.
Einige Köpfe drehten sich in meine Richtung, und jemand stupste Bethany an der Schulter an. Als sie aufblickte und mich sah, errötete sie und sprach nicht weiter.
Die vielen Blicke waren mir unangenehm. Ich setzte ein Lächeln auf, winkte allen zur Begrüßung zu und setzte mich zu zwei anderen Mädchen auf den Steg. Sie hatten dieses Jahr mit mir als Betreuerinnen gearbeitet, bis sie ein zweites Mal vorgetanzt und es in die Gruppe geschafft hatten. Ich tat, als würde ich ihnen zuhören. Dabei bekam ich nicht mal mit, wovon sie redeten.
Bethany erzählte weiter von ihren Verabredungen mit Tristan, wenn auch im Flüsterton. Nur konnte ich leider mit meinen blöden Vampirohren jedes Wort verstehen.
Ich hatte gedacht, ich würde Tristan kennen, aber in letzter Zeit verstand ich ihn nicht mehr. Schon vor dem Unfall hatte ich nicht begriffen, wie er Bethany zu dem Ball einladen konnte. Erst versprach er, dass er eine Lösung für uns finden würde, und wollte sich sogar von meinem Vater verwandeln lassen. Eine Woche später lud er ein anderes Mädchen zu einem Ball ein. Beim Ball hatte ich gedacht, ich hätte seine Stimme gehört. Er hatte mir gesagt, ich solle an uns glauben, wir würden eine Möglichkeit finden. Ich hatte seiner Schwester geholfen, ihm das Leben zu retten. Und dann, kaum war er aus dem Krankenhaus raus, traf er sich wieder mit einer anderen. Um mich eifersüchtig zu machen? Als Ablenkungsmanöver, damit seine Eltern glaubten, er würde etwas Neues anfangen?
Oder er hatte unsere Beziehung wirklich aufgegeben und sich auf was Neues eingelassen.
Ich schaffte es etwa eine Stunde lang, mit einem gequälten Lächelnam See zu sitzen, bevor ich mir eine Ausrede einfallen ließ. Ich erzählte, mein Dad sei krank und ich müsse nach Hause fahren und nach ihm sehen. Am liebsten wäre ich zu meinem Auto gerannt und den ganzen Weg nach Hause gerast.
Als ich in unserer Einfahrt geparkt hatte, atmete ich ein paarmal tief durch und versuchte nachzudenken.
Okay. Er traf sich also mit einem anderen Mädchen.
Es war doch klar, dass das passieren konnte. Dass es sogar wahrscheinlich war, dachte ich. Ich lehnte die Stirn gegen das Lenkrad, während die heiße Luft im Wagen endlich meine klamme Haut wärmte. Vielleicht hatte ich mir beim Ball seine Stimme eingebildet, weil ich instinktiv geahnt hatte, dass er in Gefahr war. Einen Moment lang war alles verzerrt und verrückt gewesen, bis meine Fähigkeiten wieder im Gleichgewicht waren und ich seine körperlichen Schmerzen gespürt hatte.
Wenn das stimmte, hatte er gar keinen Zauber ausgesprochen und mir nicht gesagt, ich solle an unsere Beziehung glauben. Dann hatte er sich wirklich auf etwas Neues eingelassen.
Ich hatte gar kein Recht, mich so verraten zu fühlen. Ich hatte mit ihm Schluss gemacht, nicht nur ein-, sondern zweimal. Jetzt hatte er begriffen, dass es wirklich vorbei war, und wollte mit einer neuen Freundin ein wenig Glück finden.
Und ich würde mich für ihn freuen. Bestimmt. Es hätte doch viel schlimmer kommen können, oder? Sollte er lieber tot sein oder leben und mit einer anderen glücklich werden?
Annes Reaktion, als ich ihr in ihrer Kirchenfreizeit simste, was passiert war, war weniger freundlich. Genauer gesagt war
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