Herzen aus Asche
lächelte breit und offenbarte eine kleine Zahnlücke zwischen seinen schneeweißen Schneidezähnen. Amelie schätzte ihn auf Ende zwanzig.
»Ist mein Anblick so furchterregend?« Das Lächeln in seinem Gesicht erstarb, als würde er sich tatsächlich G edanken darüber machen, den falschen Eindruck erweckt zu haben.
»Nein, nein. Entschuldigen Sie meine Unhöflic hkeit. Ich habe mich nur ... gewundert.«
»Worüber?«
Dass Sie viel besser aussehen, als ich gedacht hatte . »Ich habe Sie mir ein wenig anders vorgestellt.«
»Wie denn?«
»Älter vielleicht. Und, nun ja, ich habe gedacht, Sie seien ein exzentrischer reicher Mann. Wer würde sonst ein Haus kostenfrei bewohnen lassen?« Amelie stoppte ihren Redefluss, der lediglich von ihrer Nervosität herrührte. Sie biss sich auf die Unterlippe. Redete sie sich gerade um Kopf und Kragen? Zumindest erweckte Leif Eriksson nicht den Eindruck, ein irrer Frauenmörder zu sein.
Er lachte herzhaft. »Die Leute haben manchmal sel tsame Vorurteile, was gut situierte Bürger angeht.«
»Es tut mir leid, wenn ich Sie beleidigt haben sol lte.«
»Keineswegs. Ich bin sehr erfreut, dass ausgerec hnet eine nette junge Dame, die mir einen sehr wohlerzogenen Eindruck macht, auf meine - zugegeben eigenwillige - Annonce reagiert hat. Möchten Sie sich das Haus von innen anschauen?« Er deutete auf die dunkle massive Holztür des Eingangsportals.
»Sehr gerne. Ich interessiere mich für Architektur und Kunst, und ganz besonders für die Renaissance. Ich habe nicht gewusst, dass es eine solche Villa in dieser Gegend gibt. Ich brenne darauf zu erfahren, was es damit auf sich hat.«
»Das trifft sich sehr gut. Eine Dame mit Geschmack.« Er wandte sich ab und zog einen Schlüsselbund aus der Innentasche seiner Jackettjacke. Er sperrte die Tür auf, die knarrend nach innen aufschwang.
Ein muffiger Geruch nach Staub und alten Möbeln schlug Amelie entgegen, als sie in einen über dreißig Quadratmeter großen quadratischen Flur trat. Der Boden war mit Mosaiksteinen gefliest, viele tausende. Sie bild eten einen Wirbel in den Farben gelb und rot, dessen auslaufendes Ende auf eine breite Treppe ins erste Stockwerk zulief. Daneben stand eine weiße Marmorstatue im Stil da Vincis. Filigrane Deckenmalereien erstreckten sich über ihren Köpfen, ein schwerer Kronleuchter spendete gedämpftes Licht. Eine imposante Eingangshalle, doch Amelie entging nicht, dass der Zustand der Inneneinrichtung nicht der beste war. Einige der elektrischen Kerzen des Leuchters waren defekt, auf dem breiten Treppengeländer aus dunklem Edelholz lag eine dicke gräuliche Schicht. Auch der Boden schien über einen langen Zeitraum nicht mehr gesäubert worden zu sein. Es schmerzte Amelie, ein so wunderbares Meisterwerk der Architektur in einem derart desolatem Zustand zu sehen.
Herr Eriksson blieb in der Mit te des Raums stehen, um Amelie Zeit zu geben, die Eindrücke auf sich wirken zu lassen.
»Sie wohnen nicht hier, oder?«, fragte sie.
Er sah sie einen Moment lang verwirrt an, als hätte er mit dieser Frage nicht gerechnet. Seine Augen zuc kten kurz von einer Seite zur anderen. »Nicht regelmäßig«, sagte er nach einer Pause. »Ich komme nur gelegentlich, um nach dem Rechten zu sehen, deshalb suche ich jemanden, der das Haus vor dem Verfall bewahren kann. Ich weiß, es wäre viel Arbeit. Und genau deshalb verlange ich keine Miete.«
»Weshalb ziehen Sie nicht selbst hier ein?« Amelies Stimme wirkte in dem riesigen Flur unnatürlich laut und hallte von den Wänden wider.
Wieder ein Pause, als müsste er überlegen. Amelie beschlich ein Gefühl von Skepsis.
»Ich verbinde schmerzhafte Erinnerungen mit dem Gebäude.« Er sen kte den Blick.
»Entschuldigen Sie, wenn ich zu neugierig bin.«
»Nein, nein. Das ist schon in Ordnung. Ich bin es Ihnen schuldig, dass ich von der Geschichte des Hauses erzähle.« Er atmete einmal tief ein und aus, sein Blick richtete sich in eine unbekannte Ferne. Amelie fielen wieder einmal seine blauen Augen auf. Unwillkürlich schlug ihr Herz ein wenig schneller, doch rasch wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder den Deckenmalereien zu, um sich abzulenken.
»Vor mehr als einem Jahr sind meine Eltern hier g estorben«, sagte Herr Eriksson. »Im Wintergarten hinter dem Haus gibt es einen Teich, in dem man ihre Leichen gefunden hat. Die Polizei hat keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen gefunden, niemand ist in das Haus eingedrungen. Es gab absolut keine Spuren und alles
Weitere Kostenlose Bücher