Herzen im Feuer
Für die Älteren ist das sehr schwer hinzunehmen.«
»Und was ist mit meiner Familie, Françoise?« wollte Nicholas wis- sen.
»Was hast du denn die ganzen Jahre über gehört?« Françoise wich seiner Frage offensichtlich aus.
Nicholas schaute sie an, und Françoise wünschte, sie hätte diese Frage nicht gestellt. »Gelegentlich hat mir Denise berichtet, wenn ich sie in London besuchte. Ich weiß, daß ich zwei Halbgeschwister habe. Ein Mädchen heißt Nicole. Es muß inzwischen ungefähr sechzehn Jahre alt sein. Das andere Kind war noch nicht geboren, als ich abrei- ste«, sagte er lächelnd. »Es müßte also acht oder neun Jahre alt sein.«
»Damaris ist acht und macht ihrer Mutter ganz schön zu schaffen«, bestätigte Françoise. Dann fragte sie vorsichtig: »Aber deinen kleinen Halbbruder Jean-Louis hast du gar nicht erwähnt?«
Nicholas konnte sein Erstaunen nicht verbergen. »Ein Bruder?«
Françoise nickte erheitert. »Mais oui, aber es werden noch einige Jahre ins Land gehen, bis er Herr über Beaumarais wird. Er ist erst zwei Jahre alt.«
»Unglaublich«, murmelte Nicholas.
»Wir waren alle überrascht, vor allem, da deine Stiefmutter immer sehr schwere Geburten hatte. Sie wäre beinahe gestorben, als der kleine Jean-Louis zur Welt kam. Aber dein Papa war überglücklich. Endlich hatte er wieder einen Sohn. Er war fast wieder der Alte. Doch plötzlich schien ihn die Vergangenheit einzuholen. Fast über Nacht alterte er um Jahrzehnte.«
»Ich verstehe.« Nicholas seufzte. »Vielen Dank, daß du so offen warst, Françoise.«
»Was hast du jetzt vor, Nicholas?« fragte sie mitfühlend.
»Ich fahre nach Beaumarais«, antwortete er ruhig. Mara kannte nur zu gut den entschiedenen Tonfall, in dem er das sagte.
Françoise legte ihre Hand auf seinen Arm und sagte: »Du bist dort vielleicht nicht willkommen, Nicholas. Selbst wenn dein Vater die Wahrheit über François' Tod herausgefunden haben sollte, wird er Celeste nichts davon erzählt haben. Sie war nach der Geburt ihres Sohnes sehr schwach, und mit seinen Töchtern konnte er darüber noch nicht sprechen. Nicholas, vielleicht kennt niemand die Wahrheit. Vielleicht halten sie dich immer noch für schuldig. Ich bin fast davon überzeugt. Denn ich habe nicht gehört, daß man dich freigesprochen hätte, und solche Neuigkeiten verbreiten sich sehr schnell, mon cher«, erklärte ihm Françoise traurig.
Nicholas blickte in ihr schönes Gesicht. Ihr Mitgefühl rührte ihn. »Ich weiß, daß mein Vater mir vergab und die Wahrheit kannte, und deshalb kann ich mich allem stellen, was mich auf Beaumarais erwar- tet. Ich habe gar keine andere Wahl, Françoise. Ich muß die Wahrheit herausfinden.« Er beugte sich zu ihr herab und hauchte ihr einen Kuß auf die Stirn. »Keine Angst, ma petite, ich habe ein ziemlich dickes Fell und jahrelang in Unehre gelebt. Mir wird so leicht nichts passie- ren.«
Mara mußte schlucken, als sie sah, wie zärtlich er zu seiner Cousine war. Diese Seite kannte sie kaum an ihm. Wieder wurde ihr klar, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen war, Abschied zu nehmen, denn auf Beaumarais würde sie bestimmt nicht willkommen sein. Mara wandte
den Blick von den beiden, die dicht nebeneinander in der Tür standen. Sie fühlte sich als Eindringling.
»Nicholas!« rief Françoise plötzlich aus. »Alain! Alain wird dir helfen können.«
Nicholas stutzte. »Dein Bruder? Wie könnte er mir helfen?«
Françoise packte ihn aufgeregt am Ärmel. »Er ist jetzt Aufseher auf Beaumarais. Er weiß alles, was auf der Plantage vor sich geht. Du kannst ihm vertrauen, Nicholas«, beschwor sie ihn. »Du weißt, daß er immer dein Freund war.«
»Vielleicht werde ich mich an ihn wenden«, nahm er den Gedanken nachdenklich auf. »Es wäre gut, wenigstens einen Freund zu haben, auf den ich mich verlassen kann. Ansonsten wird man mich wahrscheinlich nicht mit offenen Armen empfangen.«
»Mein Papa schon«, widersprach ihm Françoise lächelnd. »Du warst immer sein Liebling.«
»Etienne ist auch auf Beaumarais?« fragte Nicholas freudig über- rascht.
Françoise hob abwehrend die Hände und bestätigte: »Er behauptet immer, er wolle sich woanders niederlassen, und dann reist er nach Paris, London, Wien oder Sankt Petersburg. Doch bald darauf kehrt er nach Beaumarais zurück, froh, daß er dort leben kann.«
»Er ritt früher öfter mit mir flußaufwärts bis an die Grenze der Plantage. Vielleicht können wir das wieder einmal tun.«
Mara spürte
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