Herzen im Feuer
Seine Worte trafen sie wie Peitschenhiebe. »Komm jetzt«, befahl er ihr, da er merkte, daß sie immer mehr Blicke auf sich zogen.
Mara ging mit ihm zu ihrem Zimmer.
»Mein Gott, ich dacht', Sie wären in den Fluß gefallen«, empfing Jamie sie. »Ich hab's doch gewußt. Paddy hat sich 'nen Mordshusten geholt. Ich muß ihm gleich noch Salbe auf die Brust schmieren.« Ohne eine Antwort abzuwarten, huschte sie wieder in Paddys Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Nicholas wurde lediglich mit einem Kopf- nicken begrüßt.
Nicholas beobachtete Mara neugierig und fragte sich, was wohl in ihr vorgehen mochte. Sie drohte ihm zu entgleiten, wie ihm alles entglitten war. In weniger als einer Stunde hatte er erfahren müssen, daß sein Vater gestorben war und Beaumarais vor dem Ruin stand. Und jetzt wollte auch Mara O'Flynn ihre Freiheit.
Sie war ihm immer ein Rätsel gewesen, und vielleicht begehrte er sie gerade darum mehr als jede andere Frau vor ihr.
»Und wieviel ist dir Paddys Leben wert, Mara?« Er beschloß, sie bei dem zu packen, was ihr am teuersten war. »Würdest du seinetwegen mit mir nach Beaumarais kommen? Oder haßt du mich so sehr, daß du ihn opfern würdest, nur um meine Gesellschaft nicht länger ertragen zu
müssen? Paddy und Jamie könnten nach den langen Monaten auf See ein bißchen Land unter den Füßen gebrauchen. Du würdest ihnen doch nicht aus rein selbstsüchtigen Motiven verwehren, sich zu erholen?« Nicholas wußte, daß seine Argumentation unfair war. Mara würde niemals die Gesundheit ihres Neffen aufs Spiel setzen. »Denk nur an all die Stunden in der feuchten Kabine während der Überfahrt nach Eu- ropa. Paddy hat Husten, und Jamie leidet an Rheumaanfällen. Ich würde euch von einer Reise dringend abraten.«
Er hielt inne, um seinen Worten das nötige Gewicht zu verleihen, und musterte sie aufmerksam in der Hoffnung, ein Zeichen von Schwä- che in ihrem Gesicht zu erkennen. Aber ihre Miene veränderte sich um keinen Deut.
Paddys Gesundheit lag ihr tatsächlich über alles am Herzen, und das wußte er. Was er nicht wußte, war, daß sie keineswegs so aufopfernd dachte, wie sie ihn glauben machte. Ihr Herz hatte vor Aufregung und Freude wild zu klopfen begonnen, als er ihr vorgeschlagen hatte, ihn zu begleiten. Und wenn sie mit ihm nach Beaumarais kam, würde sie dann damit zufrieden sein, noch etwas länger mit ihm zusammenzusein, oder sehnte sie sich vielleicht nach einer dauerhaften Verbindung?
»Möglicherweise willst du New Orleans ja nur verlassen, weil du dich in mich verliebt hast und fürchtest, meine Sklavin zu werden«, neckte Nicholas sie liebevoll. Er schaute sie mit voller Absicht provo- zierend nachdenklich an, weil er sie dazu verführen wollte, unbedacht zu handeln, nur ihrem leidenschaftlichen Temperament zu folgen.
»Deine Sklavin werden, Nicholas?« fauchte Mara. Scham und Zorn färbten ihre Wangen rot. »Niemals!«
»Dann komm mit mir nach Beaumarais«, sagte er. »So kannst du mich am besten vom Gegenteil überzeugen. Und du willst doch nichts lieber als das, nicht wahr, Mara?«
Maras Lippen bebten, aber ihre Augen verrieten keine Gefühlsre- gung, als sie seinen Blick erwiderte. Sie nickte. Aus welchen Motiven auch immer, sie hatte ihre Wahl getroffen.
Wir sah'n auch beßre Tage
SHAKESPEARE
Kapitel 12
»Das ist ja wie ein schwimmendes Hotel«, verkündete Mara voller Bewunderung vom Oberdeck des riesigen, behäbigen Dampfers aus, der sich, begleitet von dicken, schwarzen Rauchwolken aus seinen beiden Schornsteinen, flußaufwärts schob. Die übergroßen Schaufelrä- der wühlten die trüben Fluten des breiten Stroms auf. Mara schaute über die flachen Ufer und dachte, daß es bestimmt eine Meile auseinan- derlagen.
Sie starrte in das Fahrwasser und über die tiefergelegenen Decks hinweg. Manchmal tauchten die Hände oder Köpfe neugieriger Passa- giere unter ihr auf, die sich zwischendurch über das Geländer lehnten, um den Ausblick über den Fluß zu genießen.
Eigentlich ist es gar kein richtiges Schiff, dachte Mara, als sie an die große, elegante Privatkabine dachte, die Nicholas gebucht hatte. Um- geben von dicken Teppichen, schweren Kristallüstern, gerahmten Öl- bildern und Mahagonimobiliar hatte man das Gefühl, sich in einem feinen Herrschaftshaus und nicht auf einem Schiff zu befinden. An Bord gab es mehrere Salons, die alle mit Samtvorhängen und satinbezo- genen Sesseln und Sofas eingerichtet waren. Der Service in den vielen
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