Herzen im Feuer
gelebt?«
Mara konnte ihren Ärger kaum zähmen. So hatte man sie noch nie behandelt. »Wir sind nicht immer, was wir scheinen, Monsieur«, erwi- derte sie kühl. Dann schenkte sie Andres ein warmes Lächeln, wandte sich wieder dem Franzosen zu und wartete erhobenen Hauptes darauf, daß er zur Seite trat.
»Wollen Sie mir damit zu verstehen geben, ich soll Sie nicht nach
Ihrem Äußeren beurteilen, Miss Vaughan?« fragte Nicholas mit einem sardonischen Lächeln. Dann gab er ihr den Weg frei.
»Monsieur, auf Ihr Urteil lege ich nicht den geringsten Wert«, gab ihm Mara zu verstehen. Ihr Tonfall ließ erkennen, daß seine persönliche Meinung für sie ohne jeden Belang war.
Mit einem hoheitsvollen Kopfnicken verließ Mara den Raum und schritt über die Galerie davon.
»Du scheinst ja sehr mit dir zufrieden zu sein, meine Liebe«, riß Brendan sie aus ihren Gedanken.
»Brendan«, sagte sie schnell und ohne auf seine Bemerkung einzuge- hen, während sie ihn in sein Zimmer geleitete, »ich glaube, wir sind hier in einer Schlangengrube gelandet.«
Brendan studierte ernst ihr Gesicht. »Und was hast du herausgefun- den? Man darf dir doch keine Sekunde lang den Rücken kehren! Du hast dich wieder mit dem Franzosen eingelassen, stimmt's?«
Mara hielt seinem Blick ungerührt stand und antwortete vielsagend: »Unter anderem, mein lieber Brendan. Aber eigentlich wollte ich dir erzählen, daß ich Jeremiah Davies in Don Andres' Büro überrascht habe. Er führt bestimmt nichts Gutes im Schilde. Außerdem geruhte unser Wohltäter Don Luís uns zu verschweigen, daß Doña Amaya ein juwelengeschmücktes Goldkreuz erben soll, das mehr wert ist, als viele Menschen in ihrem ganzen Leben verdienen.« Sie genoß den ungläubi- gen Blick ihres Bruders.
»Verdammt! Ein Goldkreuz, sagst du, Schwesterherz?«
Mara lächelte leichthin. »Auch Don Luís hat anscheinend seine kleinen Geheimnisse.«
»Nun, dann könntest wenigstens du Brendan alles über dieses Kreuz erzählen«, schlug ihr Brendan vor. Er schaute sie nachdenklich an und ließ sich dann auf der Bettkante nieder.
»Anscheinend ist Don Luís einem kleinen Spielchen ab und zu nicht abgeneigt, aber er zeichnet sich dabei nicht durch allzuviel Glück aus. Schon viele alte Familienstücke sind ihm durch die Finger geronnen. Darum hat Amayas Vater das Erbe seiner Tochter den Villareales anvertraut. Vor ein paar Minuten durfte ich einen Blick auf dieses unbeschreiblich wertvolle Stück werfen. Außerdem hat man mir so- eben einen etwas halbherzigen Heiratsantrag gemacht, sollte ich mich dazu entschließen, auf dem Rancho Villareale zu bleiben.«
»Langsam wird es hier interessant. Wo ist das Kreuz? Ich würde es
mir gern einmal ansehen«, sagte Brendan mit einem verräterischen Glanz in den Augen.
»Tut mir leid, mein Lieber, aber Don Andres hat es wieder wegge- schlossen«, antwortete Mara unschuldig, als könnte sie nichts daran ändern.
»Ach nein«, grummelte Brendan. Er warf Mara einen mißtrauischen Blick zu, als sie nichts weiter sagte. »Und du hast nicht das geringste damit zu tun, daß das so ist, nicht wahr, meine liebe Mara?« Brendan kannte die Antwort auf diese Frage schon, als er das Zucken um ihre Mundwinkel bemerkte. »Himmel, du bist wirklich ein mißtrauisches Weib. Sogar von deinem eigen Fleisch und Blut denkst du nur Schlech- tes«, rief er aus. Vor Entrüstung erstarrte sein Gesicht zu einer patheti- schen Maske.
»Ich wollte dich nur vor dir selbst schützen, Brendan. Die Ver- suchung wäre einfach zu groß gewesen.« Mara ließ sich von seiner dramatischen Vorstellung überhaupt nicht beeindrucken; zu oft hatte sie diese Mienen und Gesten auf der Bühne gesehen. »Wir sind viel- leicht Lügner, aber wir sind noch keine Diebe.«
Brendan wand sich unter ihren offenen Worten. »Bitte, Schwester- herz, mußt du das so ausdrücken? Ich gebe ja zu, daß wir hin und wieder die Wahrheit etwas ausschmücken, daß wir in der Vergangen- heit sogar ab und zu die Tatsachen etwas verdreht haben, aber -«
»Du lügst, daß sich die Balken biegen, mein lieber Brendan«, fiel ihm Mara ins Wort.
»Ich finde«, fuhr Brendan ungerührt fort, »wir wären Narren, wenn wir jene Narren ungeschoren ließen, die es uns so einfach machen. Und da uns die Schauspielerei nun einmal im Blut liegt, warum sollten wir unsere Talente nicht nutzen?« Brendan schien einfach keine Gewis- sensbisse zu kennen. »Aber ich bin keinesfalls ein Dieb. Auch ich habe Prinzipien, meine
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