Herzen im Feuer
Fuß in den engen Schaft.
Jamie hatte den linken Stiefel aufgehoben, ließ ihn aber wieder fallen, um Mara behilflich zu sein. Nachdem sie den Fuß erfolgreich in den Stiefel gepreßt hatten, bückte sich Mara nach dem zweiten. Mit einem Aufschrei fuhr sie zurück. Zwei Scheren schoben sich langsam aus dem Stiefelschaft, gefolgt von einem Skorpion, der in seinem dunklen Ver- steck aufgeschreckt worden war.
»O mein Gott«, flüsterte Mara mit zittriger Stimme, während die vielbeinige Kreatur über den Boden krabbelte. »Was zum Teufel ist das für ein Biest?«
»Was immer es auch ist, es wird nich' mehr lange hier sein«, ver- sprach Jamie entschlossen. Sie nahm eine leere Schale vom Tisch und ließ den Skorpion hineinklettern. Dann schlurfte sie hinüber zum Fenster und schleuderte das gefährlich aussehende Tier durch die Git- terstäbe hinaus.
Ein leichter Schauer lief Mara über den Rücken, als sie ihren Fuß in die dunkle Röhre des Stiefels gleiten ließ. Dann erhob sie sich und stampfte noch einmal auf. Sie nahm ihre eleganten Reithandschuhe und ging zur Tür, nervös mit der Peitsche gegen ihren Schenkel klopfend. »Eine verdammt ungastliche Gegend.«
»Das hab' ich schon gesagt, als wir vor San Francisco lagen«, brummte Jamie. Dann rief sie Mara nach: »Wecken Sie Paddy nich' auf. Er ist eben erst eingeschlafen.«
Mara bekundete mit einer kurzen Handbewegung, daß sie verstan- den hatte, und machte sich auf den Weg zu den Ställen. In Gedanken war sie bereits bei dem Kreolen. Sie wußte schon, wie sie ihn kleinkrie- gen würde. Er war schließlich auch nur ein Mann.
Sie ritten westwärts auf eine niedrige Hügelkette zu, die mit blühen- den Eichen und Roßkastanien bewachsen war. Die Blüten ragten wie riesige weiße Kerzen zwischen den grünen Blättern auf. Als sie höher ritten, kamen sie an einem gepflegten Weingarten vorbei. Mara beob- achtete Nicholas Chantale aus den Augenwinkeln heraus und mußte widerwillig zugeben, daß er ein ausgezeichneter Reiter war. Er ritt auf einem großen, muskulösen Hengst mit wehender Mähne und fliegen- dem Schweif.
Mara folgte Nicholas in den kühlen Schatten eines Eichenhains. Ein paar schlanke Fichten erhoben sich hoch über das Laubdach, als woll- ten sie Wache über ihre kleineren Geschwister halten. Tief unter ihnen lagen die Obstgärten, in denen Äpfel, Pfirsiche, Pflaumen und Apriko- sen wuchsen. Hinter dem rancho folgten die Gemüsegärten der Villa- reales.
Nicholas war bereits abgestiegen, als Mara in den Schatten der Bäume ritt, und wartete darauf, ihr beim Absteigen behilflich sein zu können. Mara fühlte, wie sich seine Hände um ihre Taille schlossen, als er sie aus dem Sattel hob. Sie legte ihre Hände auf seine Schultern und ließ sich in seine Arme gleiten. Einen Augenblick lang hielt er sie vor sich, so daß ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Unverwandt schaute er ihr in die Augen. Mara bemerkte die
feinen Linien, die sich von seinen Augenwinkeln ausbreiteten, und sah, wie dicht die schwarzen Wimpern wuchsen, hinter denen sich die grünen Augen verbargen. Langsam folgte ihr Blick dem klassischen Schwung seiner Lippen, bis sich sein Mund zu einem ironischen Lä- cheln verzog. Mara fühlte sich ertappt und wand sich aus seinem Griff. Er ließ sie sofort los - als könnte er es gar nicht erwarten, mich aus seinen Armen zu entlassen, dachte sie und hob hochmütig das Kinn. Als sie sich von ihm entfernte, hatte sie das seltsame Gefühl, eine Niederlage erlitten zu haben.
Nicholas folgte ihr unablässig mit dem Blick, während sie durch das Gehölz wanderte. Nichts entging ihm, vom Saum ihres Rocks bis zu ihrem Strohhut.
Mara wandte sich um und registrierte den neugierigen Glanz in seinen Augen. Sie beschloß, ihm etwas zum Nachdenken zu geben. Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie zu einer riesigen Eiche hinüberschlenderte, deren einer Ast nach unten gebogen war, so daß er fast den Boden streifte und eine Art natürliche Bank bildete. Mara setzte sich auf die rauhe Rinde, strich ihr Kleid mit fast kindlicher Sorgfalt glatt und machte es sich bequem. Sie lehnte sich gegen die Äste, beugte sich aber sofort wieder vor, als sie ihre Stachligkeit spürte.
Nicholas grinste und lehnte sich gegen den mächtigen Stamm der Eiche. »Ein wunderschöner Baum, nicht wahr?« fragte er.
Mara nickte und schaute desinteressiert in das Laubdach über ihr.
»Sie benehmen sich nicht gerade wie ein
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