Herzensstürme - Roman
gegeben.
»Schlaf jetzt!«
»Aber …«
»Verdammt noch einmal!«, hatte er zornig geflüstert. »Begreifst du nicht, dass ich dann den Kopf verlieren würde? Wir waren schon unvorsichtig genug, Brianna. Die Verfolger können immer noch in der Nähe sein, deshalb werde ich wachen.«
»Aber du kannst doch nicht die ganze Nacht über wach bleiben, während ich mich ausschlafe. Ich will auch wachen.«
Er seufzte, dann wandte er sich mit zärtlicher Stimme ihr zu:
»Gut, kleine Gefährtin. Ich werde dich wecken, wenn du an der Reihe bist. Zufrieden?«
»Aber weck mich nicht zu spät.«
Er hatte sie erst kurz vor Morgengrauen behutsam an der Schulter gerüttelt, dann beugte er sich über sie, um sie zu küssen, zog sich aber gleich wieder zurück.
»Du bist dran, Kameradin. Aber nur bis die Sonne aufgeht.«
Lächelnd dachte sie daran, wie sie ihn im Schlaf betrachtet hatte. Er lag auf der Seite, hatte einen Arm angewinkelt und unter den Kopf gelegt, das wirre, kurze Haar lockte sich ein wenig, eine Strähne klebte an seiner Stirn. Sein Gesicht schien entspannt, der Mund weich, nur manchmal zuckten seine Augenlider
im Schlaf, dann träumte er gewiss von Kampf und Schlacht. Vielleicht aber auch von ihr? Der Bardin, die er zu seiner Frau machen wollte, dieser verrückte Bursche.
Sie hatte ihre Aufgabe als Wächterin sehr ernst genommen, ihr Gehör geschärft und sobald das erste Morgenlicht die grauen Umrisse von Bäumen, Steinen und Gebüsch sichtbar machte, hatte sie die Augen unablässig umherwandern lassen. Dennoch kehrte ihr Blick immer wieder zu ihm zurück, und sie verspürte eine große Zärtlichkeit, wenn sie seinen schlafenden Körper betrachtete. Er war so schutzlos in seinem Schlummer, hatte sich ganz ihrer Klugheit und Wachsamkeit anvertraut und sie war unendlich stolz darauf.
Sie seufzte noch einmal leise vor sich hin, bekümmert, dass sie auch heute wieder allein liegen musste. Wenn er doch wenigstens neben ihr säße und sie seine Nähe spüren könnte, doch er schlief jetzt vermutlich längst auf einem rasch herbeigeholten Strohsack drüben im Refektorium, durch zwei Mauern von ihr getrennt. Wusste er nicht, was er mit seinen zärtlichen Berührungen angerichtet hatte? Welche Sehnsucht er damit in ihr erweckt hatte? Oh, er wusste es ganz sicher, er verstand überhaupt eine Menge Dinge, von denen sie bisher keine Ahnung gehabt hatte. Fast schien es ihr, als kenne er ihren Körper besser als sie selbst - woher kam das? Wer hatte ihn das gelehrt? Gewiss kein Mann - Angus hatte diese Kunst bei einer Frau gelernt. Bei einer einzigen? Nun, er war ein Ritter, und er war nicht gerade hässlich. Vermutlich waren es mehrere Frauen gewesen, vielleicht sogar viele …
Der Gedanke gefiel ihr wenig, denn es schien ihr
ungerecht, dass er so viel erfahrener in der Liebe war als sie selbst. Aber sie würde sich wohl damit abfinden müssen. Sie liebte ihn und nichts anderes zählte.
Der Schlummer kam rascher, als sie geglaubt hatte, kaum vernahm sie noch das Läuten zur Mitternachtsandacht, die Gesänge der Mönche hörte sie schon nicht mehr. Nur der helle Klang der Glocke wirkte in ihrem Traum fort, hartnäckig schlug der Klöppel gegen das Metall, immer wieder, in rascher werdendem Rhythmus, als klopfe ein fleißiger Schmied auf seinen Amboss, um ein Stück Metall zu einem scharfen Schwert zu schmieden.
Sie sah unbekannte Treppengänge, lief durch schön geschmückte Säle, vorbei an hohen Truhen aus schwarzem Holz, silberne Gefäße blitzten in den Wandnischen. Menschen bewegten sich seltsam schwebend an ihr vorüber, eine hochgewachsene, bleiche Frau trug ein schwarzes Gewand, das in zierliche Falten gelegt war, ein Ritter im grünen, mit Goldfäden bestickten Kleid hatte eine edelsteinbesetzte Brosche an seiner Brust befestigt, im offenen Haar eines jungen Mädchens glänzte ein silberner Reif. Alle sahen sie an und flüsterten leise miteinander, während sie an ihr vorbeiglitten.
»Wie schön Connors Braut ist.«
»Sie ist auch klug und kämpft auf unserer Seite.«
»Mutig wie ein Mann und listig wie ein Weib.«
»Er hat sich für die Richtige entschieden.«
Immer mehr Ritter und Damen umgaben sie, unbekannte Gesichter lächelten ihr zu, mit zarten Goldreifen geschmückte Hände winkten ihr, voranzugehen. Man trat beiseite, um ihr den Weg zu öffnen, bildete Spalier für sie, und sie stand plötzlich allein inmitten der Gasse, die all diese hohen Herrschaften
für sie bereiteten. Ihr Blick fiel
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