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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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hechtete hinterher und verschwand ebenfalls in den Fluten.
    Ein paar Meter weiter sah ich Ko Bo Bos Kopf einmal kurz in der weißen Gischt auftauchen, dann den von Thar Thar. Das Wasser schleuderte sie gegen einen Felsbrocken, sie tauchten unter, Thar Thars Arm ragte für einen Moment aus dem Wasser und verschwand wieder. In mir stieg eine Angst auf, wie ich sie seit unseren ersten Einsätzen nicht mehr verspürt hatte. Mein Blick klebte an den Wogen und Strudeln, fünfzehn, vielleicht zwanzig Meter weiter flussabwärts ragte ein umgestürzter Baumstamm in den Strom. Er war ihre einzige Chance, dahinter verwandelte sich der Fluss in ein tosendes, weißes Meer. Sekunden verstrichen ohne ein Zeichen von ihnen.
    Der Oberst kroch durch das hohe Gras zu mir und warf einen vorsichtigen Blick über die Böschung.
    Eine Hand. Ein Arm. Ich erkannte sie deutlich an einem der Zweige. Thar Thars Kopf. Ein zweiter, über Wasser. Unter Wasser. Über. Unter.
    Der Oberst herrschte mich an, zu Hilfe zu eilen. Endlich überwand ich meine Lähmung und begann den Abhang hinunterzuklettern, Thar Thar dabei fest im Blick. Ich sah, wie er sich Richtung Ufer zog. Wo war Ko Bo Bo? Thar Thar hatte nun Grund unter den Füßen, er richtete sich auf, und ich sah in seinen Armen einen schlaffen Körper aus den Wogen auftauchen. Er schleppte ihn an Land und ließ sich entkräftet neben ihn fallen.
    Der zweite Schuss galt dem Oberst. Ich habe nur noch eine vage Erinnerung an das, was folgte. Ich weiß, dass ich sofort kehrtmachte. Wo Thar Thar und Ko Bo Bo lagen, gab es keinen Schutz, ich kletterte das Ufer wieder hoch und brachte mich hinter einem Felsen in Deckung. Dort lag ich zwischen den Fronten. Nachdem eine Granate in meiner Nähe explodierte, verlor ich das Bewusstsein.
    Als ich wieder erwachte, hockten zwei Rebellen neben mir. In meinem Ohr brummte es noch immer, ich hatte entsetzliche Kopfschmerzen und verstand kaum, was sie sagten. Sie halfen mir hoch, ich hatte Schürfwunden am Kopf und an den Armen und war so benommen, dass mir schwindelte. Sie nahmen mich mit um die Brücke herum, und am Waldrand sah ich die Leichen von Trägern und Soldaten, konnte mir nicht vorstellen, dass jemand von uns diesen Kampf überlebt hatte, und wurde ein zweites Mal ohnmächtig.
    In einem Lager der Rebellen kam ich wieder zu mir. Sie versorgten meine Wunden, gaben mir reichlich Reis und Wasser, stellten mir ein paar Fragen über die Bewaffnung, Stärke und Lage des Militärcamps, ansonsten ließen sie mich in Ruhe. Nach zwei Wochen musste ich mich entscheiden, ob ich mit ihnen kämpfen wollte oder ob sie mich in die nächste Stadt bringen sollten.
    Maung Tun zündete sich eine Zigarette an und musterte mich prüfend. Ein Kellner stellte Melonenkerne und eine Thermoskanne mit frischem chinesischen Tee auf den Tisch.
    Ich wartete, dass mein Bruder die letzte, wichtigste Frage stellen würde, doch er blieb stumm.
    Es fiel mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Das Gehörte war zu ungeheuerlich. Gleichzeitig dachte ich an Thar Thar und spürte eine Enttäuschung, eine Furcht, dass auch Maung Tun uns nicht erzählen konnte, wer oder was ihn tötete.
    »Können Sie uns etwas darüber sagen«, erhob ich meine Stimme, »wo und wie Thar Thar gestorben ist?«
    U Ba schaute mich an, zögerte kurz, beugte sich dann weit über den Tisch und übersetzte.
    »Wie Thar Thar starb?«, fragte Maung Tun, als wolle er sicher gehen, mich auch richtig verstanden zu haben.
    Ich nickte.
    Er schüttelte den Kopf. Sagte etwas.
    Die Augen meines Bruders weiteten sich. »Thar Thar ist nicht tot. Er lebt.«

Dritter Teil

1
    M ein Bruder war neben mir eingeschlafen. Sein Kopf lag leicht im Nacken, den Mund halb geöffnet, stieß er bei jedem Atemzug ein leises Röcheln aus. Ich nahm ein Tuch und wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Stirn, um zu fühlen, ob er Fieber hatte. Sie war sehr warm, er hatte vor dem Einschlafen wieder heftig gehustet, und ich machte mir Sorgen. Er hatte sich auch in Thazi geweigert, mit mir zum Arzt zu gehen, und behauptet, der Husten sei eine allergische Reaktion, die bald vorübergehen werde. Es erwische ihn jedes Jahr um diese Zeit, kein Grund zur Beunruhigung. Ich glaubte ihm kein Wort.
    Nun saßen wir im Zug nach Mandalay. Die Waggons schaukelten und rumpelten, an Lesen war nicht zu denken. Durch die geöffneten Fenster sorgte ein leichter Fahrtwind für ein wenig Abkühlung, aber er war zu warm, um

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