Herzflimmern
kleinen Rennbooten arbeiteten. Etwas weiter entfernt {150} lagen sachte schaukelnd die abendlich erleuchteten Hausboote auf dem Wasser. Mickey blickte hinunter und kam sich vor wie im Kino.
Ein einzigesmal in den sechzehn Monaten seit ihrer Ankunft in Hawaii war sie aus den Mauern des Great Victoria Krankenhauses herausgekommen und hatte von dem unbeschwerten Leben gekostet, das die Touristen hier genossen – bei ihrer ersten Verabredung mit Gregg. »Was?« hatte er damals, vor gerade einem Jahr, ungläubig gefragt. »Sie waren noch nie in Waikiki?«
Er hatte sofort für einen der seltenen Tage, an denen sie gleichzeitig frei hatten, einen Ausflug geplant. Wegen Mickeys Furcht vor greller Sonne waren sie allerdings erst gegen Abend zum Strand hinuntergegangen. Sie badeten, wanderten barfuß durch den noch sonnenwarmen, weißen Sand und aßen später im Halekulani Hotel, dessen reizvoll altmodische Atmosphäre an das vergangene Jahrhundert erinnerte, als Hawaii noch Königreich gewesen war. Mickey trug eine scharlachrote Hibiskusblüte im Haar, und nach dem Essen zog Gregg sie ohne viel Federlesens auf die Tanzfläche. Vielleicht hatte Mickey da schon beschlossen, sich in Gregg Waterman zu verlieben; vielleicht aber auch erst später, bei ihrem Mondscheinbad im warmen, stillen Wasser des Ozeans.
Es war ein köstlicher Abend der Muße und der sinnlichen Freude in ihrem Leben gewesen, das sonst fast ausschließlich aus Arbeit, Lernen und Hetze bestand.
Während sie jetzt auf dem Balkon stand und auf die beleuchtete Stadt hinuntersah, versuchte sie vergeblich, den ungebetenen Gedanken abzuwehren, der sie so häufig plagte: Ach, wenn doch Jonathan hier wäre.
Anderthalb Jahre waren vergangen, seit sie ihn das letztemal gesehen hatte, im Fernsehen, wie er seinen Oskar entgegengenommen hatte; anderthalb Jahre, seit sie sich vorgenommen hatte, ihren Weg allein zu gehen, sich an keinen Mann zu binden. Eine Weile hatte es ganz gut geklappt, zumal sie in den ersten hektischen Wochen ihrer Assistenzzeit überhaupt nicht zum Nachdenken gekommen war. Aber dann war etwas Unerwartetes geschehen.
Während ihres dreimonatigen Turnus in der chirurgischen Abteilung hatte sie Gregg Waterman bei einer Krampfadernligatur assistiert. Zu ihrer Überraschung hatte er die Instrumente ihr überlassen und sie dann Schritt für Schritt durch die Operation geführt. Er hatte eingegriffen, wo es sich als notwendig erwies, im großen und ganzen jedoch hatte er ihr freie Hand gelassen. Mickey war hinterher sehr stolz gewe {151} sen – die erste Operation, die sie fast ganz allein durchgeführt hatte –, und zugleich hatte sich ein Gefühl in ihr geregt, von dem sie geglaubt hatte, es sei für immer tot.
Sie hatte Gregg Waterman in die lächelnden braunen Augen gesehen und sich plötzlich wie erwärmt gefühlt.
Jonathan war er nicht. Kein Mann würde Jonathan ersetzen können. Die Erinnerung an ihn würde nie verblassen. Aber Mickey war auch Realistin. Sie hatte sich an jenem Abend entschieden, nicht zum Glockenturm zu gehen. Sie hatte ihren Weg gewählt. Die Vergangenheit war vorbei; dies war die Gegenwart und sie gehörte Gregg Waterman. Mickey hoffte, daß sie ihn mit der Zeit so tief lieben würde wie sie Jonathan Archer geliebt hatte.
Eine Schwester kam in das Krankenzimmer.
»Die Notaufnahme ist am Telefon, Mickey. Sie haben eine Patientin mit akuten Unterleibsbeschwerden. Möglicherweise ist eine Operation notwendig.«
»Danke, Rita. Sagen Sie ihnen, ich melde mich sofort.«
Mickey zog dem Patienten die letzten Fäden, klebte ein Pflaster über die Wunde und stand auf.
»Das ist sehr schön verheilt, Mr. Thomas«, sagte sie. »Sie können ohne weiteres morgen nach Hause.«
Der alte Mann, ein ehemaliger Seemann mit blitzblauen Augen, zwinkerte Mickey lachend zu.
»Ich glaub’, ich leg’ mir ein paar Komplikationen zu, damit ich mich noch ein bißchen von Ihnen versorgen lassen kann, Frau Doktor.«
Lachend ging sie aus dem Zimmer und eilte zum nächsten Haustelefon.
»Ich glaube es ist ein Blinddarm«, sagte Eric, der Assistenzarzt, der gegenwärtig in der Notaufnahme Dienst machte.
»Okay, ich komme sofort.«
Als Stationsärztin der Chirurgie hatte Mickey die Patienten der Abteilung vor und nach der Operation zu betreuen, war für Einweisungen und Entlassungen mitverantwortlich, mußte bei Operationen assistieren und sich rund um die Uhr für Notfälle zur Verfügung halten. Natürlich war es unmöglich, das alles
Weitere Kostenlose Bücher