Herzgefaengnis
Breitschultrige, leger gekleidete Männer mit sportlichen Begleiterinnen. Nix Chefarztgattin oder so. Nicht normal war allerdings, wie einige uns anstarrten. Ich unterdrückte das Bedürfnis, mich zu ducken oder hinter Leos Rücken zu verstecken.
Leo legte beruhigend seinen Arm um mich. Zum Glück wandte sich die Aufmerksamkeit gerade dem anderen Ende des Saals zu. Dort begrüßte eine smarte, grauhaarige Dame in einem eleganten nachtblauen Kleid die Gäste mit einer launigen Rede.
Ich fragte Leo unauffällig, ob ich einen Fleck auf der Nase hätte. Er lächelte und schüttelte den Kopf. „Sie gucken, weil ich dich dabei habe. Du bist wunderhübsch.“
„Das ist doch kein Grund …“ Leo legte den Finger auf die Lippen und bedeutete mir zu schweigen.
Als die Musik wenig später wieder einsetzte, machte ich die Bekanntschaft eines halben Dutzends athletischer Männer, ihres Zeichens wie Leo Besatzung des Achters mit Steuermann.
„Halt´ mal den Stehtisch hier frei. Ich hole uns ein Bier.“
Von meinem Platz aus konnte man aus dem Fenster das Osterfeuer sehen. Hoch lodernde Flammen und Funkenflug. Eine Menge Jugendlicher standen herum, einige von ihnen in Uniformen der Freiwilligen Feuerwehr. Sie schoben die anderen auf die dem Wind zugewandte Seite, damit sie nicht von den Funken getroffen wurden, die sich gerade mit dicken Schneeflocken vermischten. An mir balancierten die ersten Gäste gefüllte Teller vorbei. Das Buffet war eröffnet.
„Verzeihung, haben Sie noch Platz für einen kleinen Teller?“ Vor mir stand ein schlanker Mann, etwa in Leos Alter, einen Teller mit Kassler und Kartoffelsalat in der einen Hand, in der anderen ein Glas Cola. „Ich brauche leider beide Hände zum Essen …“ Er hatte haselnussbraune Augen und einen dunklen Bürstenhaarschnitt. Ein liebenswürdiges Grinsen ließ den etwas leidenden Zug um seinen Mund vergessen. Als hätte er chronische Schmerzen. Ich nickte und erwiderte sein Lächeln.
„Ein Platz ist noch frei. Guten Appetit.“
„Vielen Dank.“ Er warf mir einen neugierigen Blick zu. „Entschuldigen Sie. Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Johannes Heinrich. Ich bin ein guter Freund von Leo.“
„Ich heiße Sabina Jung. Er hat mir seine Mitruderer vorgestellt, aber Sie nicht.“
Er schüttelte den Kopf und kaute. „Ich wollte mich nicht vordrängeln. War ja ´ne ganze Meute, die Sie da umringt hat.“
Ich schmunzelte, während er in beachtlicher Geschwindigkeit seinen Teller leerte.
„Rudern Sie auch mit Leo in einem Boot?“
„Nein, ich bin eher ein Einzelgänger. Fahre Skiff. Sie wissen schon, Einer ohne Steuermann. Aber auch mehr zum Spaß.“
Ich betrachtete ihn näher, während er ungerührt Essen in sich hineinschaufelte. Sein Gesicht war wohlproportioniert, ein klassisches Profil. Abgesehen von dem schmerzlichen Zug um seinen Mund musste man ihm männliche Schönheit bescheinigen.
„Sind Sie ganz allein hier?“, fragte ich. Er sah auf und bedachte mich mit einem anzüglichen Blick.
„Normalerweise stellen Männer solche Fragen.“
„Entschuldigung. Ich hielt das einfach für unwahrscheinlich.“
„Aus Ihrem Mund klingt das wie ein Kompliment.“ Interessiert schaute er mir direkt in die Augen. „Gibt es da, wo Leo Sie getroffen hat, noch mehr so charmante Frauen? Dann könnte ich vielleicht nächstens auch mit Begleitung hier auftauchen.“
Ich lachte, ein wenig verlegen. „Jetzt machen Sie mir Komplimente. Besten Dank.“
Hinter mir kamen zwei Gläser Bier zum Vorschein, die mit Wucht auf dem Tisch abgestellt wurden.
„Du baggerst gerade die Falsche an, Johannes. Diese Dame hier ist vergeben.“
Leos Stimme klang barsch. Er stand hinter mir, seine Hände schlossen sich fest um meine Oberarme, eine besitzergreifende Geste.
„Hey Leo, mein Alter, nimm mal den Fuß vom Gas. Weiß ich doch alles. Wir haben uns nur unterhalten. Sie war so nett, mir an eurem Tisch ein Plätzchen anzubieten.“
Johannes Heinrich blieb cool, das musste man ihm lassen. Leos Griff lockerte sich etwas.
„Du wirst doch nicht glauben, ich mache mich an die Braut meines besten Freundes ´ran. Ich habe sie gefragt, ob es da, wo du sie getroffen hast, noch mehr so charmante Frauen gibt.“
Entschuldigendes Lächeln. Leo ließ mich los und schob mir mit vorwurfsvollem Blick eins der Biergläser zu. „Kaum drehe ich den Rücken, plauderst du mit dem schlimmsten Schürzenjäger in diesem ganzen Verein.“
„Schürzenjäger? Zeig´ mir eine – nur eine,
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