Herzklopfen - Down Under (German Edition)
Nele, so toll ist der Typ nun auch wieder nicht. Jake ist ein Womanizer, ein ladies’ man, ein Casanova, wenn du verstehst, was ich meine. Er macht dir schöne Augen, aber da steckt nichts dahinter. Kapiert?«
Verdattert starrte sie ihre Gastschwester an. Was hatte denn diesen Ausbruch verursacht? Offensichtlich ging sie Tara mit ihrer Schwärmerei mächtig auf die Nerven, aber deswegen musste Tara ja nicht gleich pampig werden. »Ich mag ihn. Ist kein Verbrechen, oder?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
»Glaubst du etwa, du hättest bei ihm eine Chance?« Taras Augen verengten sich zu Schlitzen. »Findest du nicht, er ist eine Nummer zu groß für dich?«
Autsch, das hatte gesessen. Nele fühlte Bitterkeit aufsteigen. Plötzlich war sie wieder die Nette von nebenan, mit der man Pferde stehlen konnte, der man jedoch nicht ein zweites Mal hinterherblickte. »Wie du meinst.« Sie spürte einen dicken Kloß im Hals. Tara hielt in der Regel mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, aber in diesem Fall hätte Nele sich Zuspruch und Unterstützung von ihr gewünscht.
»Hör zu.« Tara stand auf und trat einen zögerlichen Schritt auf sie zu. Vielleicht ahnte sie, dass sie etwas zu weit gegangen war. »Ich wollte dich nicht verletzen.«
Nele starrte in Rea Garveys leicht zerknittertes Gesicht, das sie von einem Poster an der gegenüberliegenden Wand anblickte. Johanna hatte ihr das Bild als besonderen Gruß geschickt. Fünf Wochen vor ihrem Abflug nach Australien hatten sie ein Konzert von Garvey besucht und schwärmten seitdem für den irischen Sänger. »Schon gut«, sagte Nele tonlos. »Wahrscheinlich hast du recht.«
»Sei bitte vorsichtig.« Taras Stimme klang plötzlich sanft. »Jake ist nicht das, was er vorgibt zu sein.«
»Klar.« Jake ist nicht das, was er vorgibt zu sein? Was in aller Welt meinte Tara damit? »Soll das heißen, Jake ist nicht …«
Tara gähnte unvermittelt. »Ich bin schrecklich müde, Nele. Wir reden ein anderes Mal, ja?« Flink hüpfte sie vom Bett und zur Tür hinaus, ehe Nele noch etwas sagen konnte.
Wenn sie den Hals ein wenig reckte, konnte sie von ihrem Schreibtisch aus durch die silbrigen Blätter der Eukalyptusbäume hindurch kleine Flecken des im Mondlicht glitzernden Ozeans sehen. Ihr Zimmer hatte vor ihrer Ankunft als Gästezimmer gedient und war nicht sehr geräumig. Mehr als das Bett, auf dem Tara noch vor wenigen Augenblicken gesessen hatte, eine hohe Holzkommode, die schon bessere Tage gesehen hatte, und ein Schreibtisch samt Drehstuhl passten nicht hinein. Ihre Kleidung bewahrte Nele in einem praktischen Einbauschrank auf, der die Länge einer gesamten Wand einnahm. In Taras Zimmer konnte man tanzen, Nele besaß dafür den einzigartigen Blick auf die Bucht. Das machte die fehlende Größe wieder wett.
Das Fenster war wie meist geöffnet, das Mückennetz sperrte die Insekten aus. Eine Weile lauschte sie dem Wind, der die Blätter von Bäumen und Büschen rascheln ließ. Die Rufe der Nachtvögel klangen noch immer fremd in ihren Ohren. Einen winzigen Augenblick lang zupfte Sehnsucht an ihrem Herzen. Nele griff nach ihrem Laptop. Sie öffnete den Deckel, schaltete den Computer ein und wartete ungeduldig, bis er hochgefahren war. Ob es Neuigkeiten von daheim gab?
Ihre Augen brannten ein bisschen, als sie von Cookies Streit mit Miss Marple erfuhr. Cookie, Neles Golden Retriever, verband eine beständige Hassliebe mit der Katze Miss Marple. Anscheinend hatten beide bei einer wilden Jagd durch das Haus den vollen Eimer der Putzfrau umgestoßen und das ganze Wohnzimmer unter Wasser gesetzt. Als Mama die zwei gescholten hatte, hatte Cookie sich mit eingezogenem Schwanz in seinen Korb verzogen. Sekunden später gesellte sich Miss Marple dazu. Einträchtig nebeneinanderliegend beobachteten beide aus unschuldigen Augen die Aufräumarbeiten.
Schmunzelnd schrieb sie Mama ein paar Zeilen zurück. Wie schön wäre es, wenn Cookie jetzt zu ihren Füßen eingerollt läge und sie sein beruhigendes Atmen hören könnte. Sie loggte sich auf Facebook ein. Sie musste unbedingt mit jemandem reden, der sie verstehen würde. Sie hatte Glück. Emma war im Chat und antwortete ihr prompt.
»Hallo Süße. Was gibt’s?«
»Es ist wegen Jake. Ich kann mit Tara nicht über ihn sprechen.«
»Weshalb nicht?«
»Sie verhält sich merkwürdig. Abweisend.«
Tara und Emma mochten sich zwar, aber sie pflegten keine enge Freundschaft. Dennoch hoffte Nele, dass Emma ihr das seltsame
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