Herzstoss
Achseln. »Ich weiß nicht mehr, was ich tue.« Wie konnte das passieren, wollte sie laut schreien. Wie bist du in meinem Bett gelandet?
Aber die Antwort darauf kannte sie schon. Sie hatte selbst dafür gesorgt. Sie waren kaum die Treppe hinaufgestiegen, bevor ihre Lippen hungrig die seinen gesucht hatten. Noch bevor sie die Tür ihres Zimmers geschlossen hatte, hatte sie an seinem Hemd gezerrt. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
»Mit dir ist überhaupt nichts«, sagte Vic.
»Ich bin praktisch über dich hergefallen.«
»Ich kann mich nicht erinnern, laut protestiert zu haben.«
»Normalerweise bin ich nicht so.« Sie lachte. »Außer natürlich beim letzten Mal, als wir zusammen waren.«
»Und da fragst du mich, was ich hier mache«, meinte er spöttisch.
»Was machst du hier, Vic?«
Die Stimmung wurde auf einmal ernst. »Das habe ich dir doch schon gesagt. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«
»Das solltest du nicht.«
»Ich kann auch nichts dafür. Offenbar habe ich eine ziemliche Anhänglichkeit entwickelt.«
»Das ist wahrscheinlich keine besonders gute Idee.«
»Im Gegenteil, es ist die beste Idee, die ich seit Jahren hatte.«
»Warum?«
»Warum?«, wiederholte er kopfschüttelnd. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das beantworten kann. Ich weiß nicht. Vielleicht spüre ich in dir eine verwandte Seele.«
»Vielleicht hast du auch einfach nur Mitleid mit mir.«
»Ich empfinde vieles für dich«, erwiderte er prompt. »Aber Mitleid gehört nicht dazu.«
Marcy musste unwillkürlich lächeln.
»Komm zurück ins Bett«, sagte er noch einmal.
Was soll’s, dachte Marcy, warum nicht? Sie hatte schließlich nichts Besseres vor. Es war nach neun, es war dunkel, ihr tat alles weh, sie hatte ein blaues Auge und eine geschwollene Wange, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie Devon finden würde, wenn sie heute Abend noch einmal ausging, war gleich null. Außerdem war sie erschöpft. Sie legte sich aufs Bett und spürte sofort, wie Vic sie in seine Arme nahm und sich an sie schmiegte, als würden ihre Körper zusammengehören.
»Wir können noch mal rausgehen, wenn du möchtest. Eine Runde durch die Kneipen machen«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Vielleicht sehen wir sie irgendwo.«
Marcy schüttelte den Kopf und spürte Vics warmen Atem in ihrem Nacken. »Wir werden sie nicht sehen.«
»Vielleicht doch.«
»Nein. Sie weiß, dass ich hier bin. Sie will nicht, dass ich sie finde.«
»Das weißt du nicht sicher.«
»Ich weiß nicht viel, aber so viel ist sicher.«
»Erzähl mir, was für Ärger sie hatte«, sagte Vic.
»Was?«
»Du hast mal erwähnt, dass Devon irgendwelchen Ärger hatte.«
»Ja«, sagte Marcy. Hatte sie ihm das erzählt?
»Mit der Polizei?«
»Sie hatte sich mit einem Typen eingelassen, der Kokain nahm, was natürlich das Letzte war, was Devon brauchte. Es machte sie noch depressiver.«
»Was ist passiert?«
»Sie sind zu einer Party gegangen. Es wurde ein bisschen laut. Ein Nachbar hat die Polizei gerufen. Man hat Drogen gefunden, und Devon wurde wie alle anderen Gäste angeklagt. Unser Anwalt hat sich daraufhin mit dem Staatsanwalt in Verbindung gesetzt. Er dachte, dass wir ihn angesichts von Devons Problemen vielleicht überreden könnten, die Anklage fallenzulassen, wenn sie freiwillig eine Therapie macht.«
»Und?«
»Am Wochenende vor dem Termin ist Devon zu unserem Ferienhaus gefahren.« Marcys Stimme stockte. »Und nie zurückgekommen.«
»Du findest sie, Marcy. Du wirst sie nach Hause bringen.«
»Was, wenn sie es nicht ist?«, stellte Marcy nach langem Schweigen die Frage, die auch nur zu denken sie sich bisher verboten hatte. »Was, wenn Peter und Judith und die Polizei recht haben? Ich habe sie nur für eine halbe Sekunde durch ein Fenster gesehen, das mit Bierreklamen vollgeklebt ist. Vielleicht war sie es nicht. Vielleicht war sie auch nicht das Mädchen, das ich auf der Brücke gesehen habe. Vielleicht bin ich so verrückt, wie alle denken.«
»Ich denke nicht, dass du verrückt bist.«
»Du hast deine Maklerin geheiratet«, erinnerte Marcy ihn.
Vic lachte. »Manchmal machen wir verrückte Sachen, weil wir so unbedingt wollen, dass der Schmerz aufhört.«
»Mache ich etwas Verrücktes?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber ich wäre gern bei dir, wenn du es herausfindest.«
Marcy drehte sich auf den Rücken und sah ihm in die Augen. »Du bist wirklich der netteste Mann, den ich kenne«, sagte sie, bevor sie erneut die
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