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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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ich sie beim Schopf gepackt.«
    »Und bereuen Sie es nie, Ihre schriftstellerische Karriere aufgegeben zu haben?«
    »Ich blicke niemals zurück«, erkläre ich im Brustton der Überzeugung.
    »Das ist sehr beeindruckend.«
    Ich lächle bescheiden. Obwohl ich selbst zugeben muss, dass es sehr beeindruckend klingt.
    Wenn man einmal von der Tatsache absieht, dass es nicht so über die Bühne ging, zumindest nicht exakt so. Die Tatsachen sehen so aus: Ich ging mit dem großen Traum vom Schreiben von der Uni ab und bewarb mich für jeden Job, den ich in der »Medien«-Rubrik im Guardian finden konnte. Fast hundert Ablehnungen, bis ich endlich die Einladung für ein Vorstellungsgespräch bei British Worldwide Press bekam. Das stimmt also. Und auch, dass ich als Redakteurin für eine ihrer Zeitschriften tätig war.
    Allerdings unterschlage ich, dass es die Kreuzworträtsel-Zeitschrift war. Na gut, es war nicht Vanity Fair, aber immerhin etwas. Und jeder fängt mal klein an, oder?
    Es gab nur ein Problem dabei: Ich bin echt lausig im Lösen von Kreuzworträtseln.
    Aber ich war eben verzweifelt. Und pleite. Und habe zu Hause bei meinen Eltern gewohnt.
    Zum Glück bekam ich den Job und konnte nach London ziehen. Drei Jahre lang dachte ich mir Stichworte für Kreuzworträtsel aus, und abends feierte ich in den Clubs und Bars.
    Und in der Mittagspause? Brachte ich meinen Lebenslauf auf Vordermann und schickte ihn an jede Zeitschrift und jede Zeitung, die mir einfiel. Bis meine Unterlagen eines Tages zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Schreibtisch landeten. Für ein neues Lifestyle-Magazin wurden Autoren gesucht. Ein Traum wurde wahr.
    Leider hielt der Traum nur sechs Monate an, bis die Zeitschrift eingestellt wurde und ich wieder ohne Job dastand. Nur dass ich diesmal keinen fand und mich folglich auf freiberuflicher Basis versuchte.
    Freiberuflich. Das klingt so spannend und glamourös, nicht?  Bilder von mir, wie ich mit dem Laptop unter dem Arm durch die Straßen gehe, in Cafés schreibe, mit der Zigarette im Mund bis drei Uhr früh auf die Tastatur einhämmere, um den Abgabetermin zu schaffen. Wie toll! Ich als Carrie in Sex and the City!
    Aber das Leben ist nun mal keine Fernsehsendung, und die Carrie, die ich darstellte, trug keine Designerpumps und verdiente auch kein Vermögen mit dem Verfassen spritziger Sexkolumnen. Nein, meine Carrie unterbreitete gelangweilten Redakteuren eine Reportageidee nach der anderen und wartete vergeblich auf ihre Rückrufe. Meine Carrie saß mitten am Tag im Schlafanzug vor dem Fernseher und sah sich irgendwelche Gerichts- und Talkshows an und grübelte, wie sie das Geld für die nächste Miete zusammenbekommen sollte. Glauben Sie mir - an der x-ten Wiederholung von  Reich und Schön ist nichts sexy und hat nichts das Geringste mit reflektierter Autorentätigkeit zu tun.
    So ging es über Monate, bis die Freundin einer Freundin Mitleid mit mir bekam und mir von einer freien Stelle in einer PR-Agentur erzählte, zu der unter anderem das Verfassen von Pressemeldungen gehörte. So kannst du immer noch schreiben, erklärte sie mir. Na gut, wenn man tausend Wörter über Shampoo als Schreiben bezeichnen kann.Aber es finanzierte mir den Lebensunterhalt. Und es war ja nur vorübergehend. Nur bis ich diesen Roman zu Ende geschrieben hatte, an dem ich in meiner Freizeit arbeitete und der nach einem erbitterten Krieg um die Rechte von einem Verleger herausgebracht wurde.
    Zumindest wünschte ich mir, es wäre so.
    Natürlich schrieb ich ihn nie zu Ende. Ständig kam etwas dazwischen. Ich war zu beschäftigt. Ich gab es auf. Eigentlich kann ich nicht genau sagen, wieso ich nicht wieder angefangen habe - die Wahrheit ist wahrscheinlich, dass der  Traum im Lauf der Zeit verschwand und die Realität Einzug hielt. Ich wurde befördert, bekam mehr Verantwortung, hatte Erfolg und verdiente mehr Geld. Und gründete meine eigene Agentur. Und eines ist richtig: Ich blicke nie zurück.
    Na schön, manchmal vielleicht. Wenn ich eine Buchhandlung betrete und den Erstling eines jungen Autors in die Hand nehme. Oder einen faszinierenden Artikel in einem Magazin lese und denke, vielleicht, ja, vielleicht hätte ich die Verfasserin sein können.Wenn ich länger am Ball geblieben wäre. Mich mehr angestrengt hätte. Besser schreiben könnte. Und für den Bruchteil einer Sekunde ist die Sehnsucht fast mit Händen greifbar.
    Aber dann schiebe ich den Gedanken beiseite. Ich habe die richtige Entscheidung

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